“Sagen Sie mal, was können wir noch tun, um unsere Stellen besetzt zu bekommen?” Die Frage wird uns oft gestellt. Gerade auch aktuell, wo es viele offene Stellen und zwar grundsätzlich wechselwillige, aber noch nicht wechselaktive Beschäftigte gibt. Und sich der Wettbewerb um Arbeitskräfte dadurch nochmals verschärft.
Schon klar, welche Antwort hier erwartet wird, oder? Die Fragenden erwarten oft einen “Geheimtipp” für einen Suchweg, den sie noch nicht genutzt haben, der aber mehr passende Bewerbungen verspricht. Also eine schnelle einfache Lösung. Im Einzelfall ist ihnen vielleicht sogar mit einem alternativem Suchweg geholfen. Bei einem eher generellem Stellenbesetzungsproblem, ist es aber nicht damit getan. Da liegen meist mehrere andere Dinge im Argen.
Beim Blick hinter die Kulissen von im Recruiting mehr oder eher weniger erfolgreichen Unternehmen können wir in unserer Recruiting-Beratungspraxis immer wieder deutliche Unterschiede an den immer gleichen Stellschrauben feststellen. Unternehmen, denen es besser gelingt, ihre Vakanzen zeitnah, passend und längerfristig zu besetzen, machen an gerade diesen Stellschrauben ein erkennbar stärkeres Recruiting. Welche Stellschrauben wir meinen und was starkes Recruiting dann konkret heißt, darum geht es jetzt.
Was ein starkes Recruiting von einem weniger starken Recruiting unterscheidet
1 | Instrumente und Tools
Unternehmen mit mehr Rekrutierungserfolg setzten häufiger unterschiedliche Instrumente im Recruitingprozess ein. Statt unstrukturiert, immer wieder gänzlich anders und mit viel Bauchgefühl an die Sache zu gehen, kommen bei diesen Arbeitgebern nicht nur diverse Vorlagen, Checklisten und Guidelines, wie z.B. Briefing-Bögen oder Onboarding-Checklisten zum Einsatz. Sie nutzen insbesondere auch eignungsdiagnostische Instrumente wie Interviewleitfäden oder Tests/Assessments zur Feststellung relevanter Kompetenzen und Passung.
Einen weiteren Pluspunkt haben die Unternehmen, die genutzte eignungsdiagnostische Instrumente für unterschiedliche Arten von Stellen/ Jobfamilies und Bewerberzielgruppen sinnvoll anpassen. Ob mit oder ohne Anpassung: die Instrumente sorgen für mehr Struktur, Fokus und Objektivität. Sie entlasten und unterstützen die Akteure und sorgen für das Ausstrahlen von Kompetenz nach außen.
Die Instrumente müssen übrigens nicht zwangsläufig digitale Tools sein. Wenn Arbeitgeber aber auf digitale Tools setzen, dann ist bei Unternehmen mit einem starken Recruiting häufiger eine strukturierte, bedarfsgerechte Auswahl und begleitete Einführung dieser Tools zu beobachten. Bei ihnen haben die Tools eher die tatsächlich benötigten Funktionen, potenzielle Akzeptanz- und rechtliche Probleme sind berücksichtigt und die Anwender können kompetent mit den Tools umgehen.
Praxistipps für ein starkes Recruiting und mehr Rekrutierungserfolg
2 | Miteinander von Fach- oder Personalbereich
Ein Merkmal erfolgreichen Recruitings ist auch ein gutes Zusammenspiel auf Augenhöhe zwischen Fach- und Personalbereich statt einem manchmal auch nur unterschwelligen Gegeneinander oder Hierarchiegehabe. Bei Unternehmen mit einem guten Hand-in-Hand-Spiel der Akteure findet man häufiger klare Spielregeln für die Zusammenarbeit im Recruiting – z.B. zum grundsätzlichen Prozess, den Beteiligten und ihren Rollen, zur Kostenübernahme/-verteilung, zur Anzeigengestaltung oder zu Service Level Agreements.
Zur Sensibilisierung sowie zur Abstimmung und Formulierung von Spielregeln eignen sich gemeinsame Workshops. Dabei geht es nicht darum unumstößliche Details festzulegen, sondern Grundsätze. So bleibt Raum für individuelle Besonderheiten je nach Zielgruppe oder Stellentyp.
Beispiele könnten sein: ein Auswahlprozess startet mit einem Briefing, Interviews werden nach dem Vier-Augen-Prinzip geführt, Bewerbende erhalten spätestens nach x Tagen Feedback etc.
Praxistipp für ein starkes Recruiting und mehr Rekrutierungserfolg
3 | Recruiting Know-how der Akteure, insbes. Hiring Manager
Ein erfolgreiches und starkes Recruiting zeichnet sich auch durch starke interne Akteure aus. Ihre Stärke liegt darin, dass sie Methoden und Techniken der Bewerber-Ansprache und -Auswahl kennen und kompetent anwenden sowie für Bewerbererwartungen wie für Beurteilungs- und Bewertungsfehler sensibilisiert sind. Beispiele:
- In der Bewerberakquise achten sie bei Stellenanzeigen darauf, dass diese alle relevanten Informationen enthalten und auch die Grundsätze für gute Lesbarkeit, Auffindbarkeit oder Interaktion/Response beachtet werden.
- Beim Unterlagen-Screening sind sie für (ihr) typisches Schubladendenken sensibilisiert (z.B. Interesse an Mannschaftssportart ist gleich Teamfähigkeit) und bewerten Bewerbungen strukturiert und anforderungsbasiert.
- Im Interview vermeiden sie Standard-Fragen und sind für unerlaubte und AGG-kritische Fragen sensibilisiert. Sie können unterschiedlichen Typen von Bewerbenden mit den richtigen Interviewtechniken begegnen. Und sie bewerten Interviews anforderungsbasiert statt spontan pauschal.
Um diese Fähigkeiten zu entwickeln, findet man bei im Recruiting erfolgreichen Unternehmen häufiger Qualifikationsangebote für die Recruiting Akteure. Das können z.B. Recruiting-Trainings als Baustein im Personalentwicklungsprogramm von Führungsnachwuchskräften oder zum Onboarding von Junior-Recruitern/HR’lern sein. Oder es werden Refresh-Kurse oder Coachings für Hiring Manager mit wenig Recruiting Routine angeboten.
Praxistipp für ein starkes Recruiting und mehr Rekrutierungserfolg
4 | Kandidaten-/ Zielgruppenorientierung
Unternehmen, die mit ihrem Recruiting einen positiven Unterschied machen, kennen ihre jeweiligen Zielgruppen (z.B. erfahrene Manager, Facharbeiter, Berufseinsteigende) und haben deren Interessen, typische Lebenssituationen, Erwartungen und Job-Vorstellungen bei ihren Aktivitäten im Auge. Hier ein paar Beispiele:
- Sie formulieren Stellenanzeigen adressatengerecht, d.h. sie gehen auf die Informationsbedarfe der Zielgruppe, z.B. in der Unternehmensbeschreibung oder bei den Arbeitgeberleistungen ein und passen die Anforderungen an die Möglichkeiten der Zielgruppe an.
- Beim Einsatz diagnostischer Instrumente sorgen sie dafür, dass die Aufgaben z.B. bei Tests oder ACs oder die Interviewfragen sich auf die Lebens- und Erfahrenswelt der Bewerbenden beziehen und dem Leistungsniveau der Zielgruppe entsprechen.
- Bei der Kommunikation – ob schriftlich, z.B. bei Einladungen, oder persönlich, z.B. im Sellcruiting – versetzen sie sich in die Situation der Bewerbenden und beantworten proaktiv deren mögliche Fragen.
Voraussetzung für eine Zielgruppenausrichtung ist die Beschäftigung mit der Zielgruppe. Bei im Recruiting erfolgreicheren Unternehmen halten sich die Akteure häufiger über einschlägige Studien und Umfragen zu den Zielgruppen auf dem Laufenden oder tauschen sich aktiv mit Vertretern der Zielgruppe im Unternehmen aus.
Eine noch bessere Kandidaten-Orientierung erreichen Unternehmen, die nicht nur die Zielgruppe im Blick haben, sondern sogar mit Candidate Personas je Stelle arbeiten.
Praxistipp für ein starkes Recruiting und mehr Rekrutierungserfolg
5 | Kommunikation
Erfolgreicheres Recruiting setzt auch eine besondere Art der Kommunikation untereinander voraus. Eine offene, klare und wertschätzende Kommunikation fördert den Rekrutierungserfolg. Das gilt übrigens für die externe wie die interne Kommunikation. Auch hier wieder ein paar Beispiele aus Unternehmen mit einem starken Recruiting – zunächst mit Blick auf die Bewerbenden:
- Im Active Sourcing greifen starke Recruiter Inhalte aus dem Kandidatenprofil auf, um darüber die Brücke zum potenziellen Angebot und Arbeitgeber zu schlagen. Und zwar mit einer individuell formulierten Botschaft, statt einer Serienmail.
- In Interviews sind Recruiter auf Augenhöhe mit ihren Interviewpartnern. D.h. Sie geben auch etwas von sich preis (z.B. bei der Vorstellung), sie stellen Fragen nicht von oben herab oder reagieren auf Antworten nicht abwertend. Sie können ihre Fragen-Methoden an verschiedene Bewerbertypen anpassen. Und sie informieren offen über das Unternehmen, auch wenn es um kritische Aspekte geht.
- Im Anschluss an Auswahlschritte und spätestens bei der finalen Entscheidung geben starke Recruiter ein persönliches Feedback. Dabei teilen sie nicht nur eine Entscheidung mit, sondern argumentieren diese anhand von Beispielen und geben auf Wunsch auch Tipps fürs Bessermachen.
Und die Kommunikation Richtung Hiring Managern?
- Recruiter und Fachbereiche stimmen Stellenanzeigen, Suchkanäle und den Rekrutierungsprozess miteinander ab statt einseitigen Vorgaben zu folgen. Im Prozessverlauf gibt es verschiedene Rückkopplungsschleifen, bei denen ggf. Kurskorrekturen vorgeschlagen und miteinander abgestimmt werden. Eine gegenseitige Beratung und Kritik erfolgt konstruktiv.
Zur Sicherstellung einer guten Kommunikation kann man bei Unternehmen mit mehr Rekrutierungserfolg öfter auch ein kollegiales Coaching erleben. Hier geben sich die Beteiligten eines Recruitingprozesses gegenseitiges Feedback, machen auf blinde Flecken aufmerksam und geben Erfahrungen zum Bessermachen weiter. Das kann zwischendurch geschehen oder aber als “Manöver- Kritik” zum Abschluss einer Stellenbesetzung.
Praxistipp für ein starkes Recruiting und mehr Rekrutierungserfolg
6 | Personelle Ressourcen zur Durchführung des Recruitings
Ein kritischer Erfolgsfaktor für Rekrutierungserfolg sind natürlich auch die verfügbaren Ressourcen. Zu viele offene Stellen, zusätzliche konzeptionelle Aufgaben/ Projekte, personelle Ausfälle etc. führen zu Verzögerungen bei Stellenbesetzungen, gehen oft mit qualitativen Abstrichen z.B. bei Anzeigenformulierung oder Unterlagenanalyse einher. Und auch die Kommunikation leidet. Das Risiko von Beurteilungsfehlern und einer Fehlauswahl steigt.
Im Recruiting erfolgreichere Unternehmen haben für diese Fälle meist einen Plan B. Sie verstärken sich zeitweise personell im operativen oder konzeptionellen Recruiting. Häufig gewählte Optionen sind:
- Kurzfristige Einstellung von Praktikanten oder Werkstudenten oder Rückgriff auf Auszubildende oder Zeitarbeitskräfte, die vor allem administrative Aufgaben übernehmen. Oder der Einsatz von Personalberatern für besonders schwierig oder für den Unternehmenserfolg besonders erfolgskritische Positionen. Wobei es bei dieser Lösung überwiegend darum geht, den Teil der Bewerberakquise auszulagern.
- Einen noch besseren Plan B haben die Unternehmen, die auf Co-Working mit erfahrenen freiberuflichen Recruitern oder Recruiting Services setzen. Denn anders als bei Werkstudenten oder Zeitarbeitskräften handelt es sich hier um erfahrene Profis, die keine große Einarbeitung benötigen, wissen worauf es ankommt und gut als verlängerter Arm des eigenen Teams arbeiten können.
Praxistipp für ein starkes Recruiting und mehr Rekrutierungserfolg
7 | Controlling und Optimierung des Recruitings
Und ein letztes wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen mehr oder weniger erfolgreichem Recruiting ist das Controlling des Recruitings. Wer nicht weiß, was wie gut funktioniert oder wie es da draußen ankommt, der macht wahrscheinlich die immer gleichen Fehler. Wer Controlling betreibt, erhält hingegen Ansatzpunkte für Verbesserungen.
Eine bessere Grundlage für mehr Rekrutierungserfolg haben daher Unternehmen, die relevante Kennzahlen erheben und Verbesserungen im Recruitingprozess daran orientieren. Besonders wertvoll für mehr Rekrutierungserfolg, aber auch aufwendiger, ist ein zusätzliches qualitatives Controlling. Dazu eignen sich z.B. Feedbacks von Bewerbenden oder New Hires – anonym über eine (Online-) Befragung oder offen durch ein strukturiertes Gespräch.
Praxistipp für ein starkes Recruiting und mehr Rekrutierungserfolg
Auf den Punkt gebracht
Zusammenfassend kann man also festhalten, dass Unternehmen mit Problemen bei der Stellenbesetzung einige Stellschrauben nutzen können, um ihr Recruiting stärker zu machen und damit mehr Rekrutierungserfolg zu erzielen. Hilfreich ist dabei von Unternehmen mit mehr Rekrutierungserfolg zu lernen und die Unterschiede wettzumachen. Das geht allerdings nicht von heute auf morgen, kann aber gut schrittweise angegangen werden. Wichtig dazu: die eigenen “Baustellen” kennen und priorisieren.
* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.