In diesem Sommer reiht sich ein sportliches Großereignis an das nächste, doch Olympia sticht als Highlight hervor. Als Recruiting-Enthusiasten haben wir uns gefragt: Was können Unternehmen vom Spitzensport lernen? Hier sind unsere wichtigsten Erkenntnisse.
Nicht nur der Sieger zählt
Wir lieben nicht nur die Wettbewerbe, sondern auch die Siegerehrungen. Es ist schön und wertschätzend, dass auch Zweit- und Dritt-Platzierte geehrt werden. Sie erhalten Medaillen und Geschenke, kommen auf Fotos, werden interviewt usw.
Im Recruiting wird zwar der „Sieger“ mit einem Vertragsangebot gefeiert und umschmeichelt. Andere Kandidaten erhalten aber meist nur eine Standardabsage.
Ein Bewerber erzählte uns z.B. kürzlich, dass er nach einem vielversprechenden ersten Gespräch wochenlang nichts hörte und schließlich nur eine floskelhafte Absage-Mail erhielt. Stell dir vor, wie anders seine Erfahrung gewesen wäre, hätte er rechtzeitig persönliches Feedback und eine Einladung in einen Talentpool erhalten.
Was man von Olympia lernen kann
- Auch denjenigen, die kein Vertragsangebot erhalten, gebührt eine besondere Aufmerksamkeit, insbesondere wenn sie weit fortgeschritten im Recruitingprozess waren. Gebt auch diesen nicht ausgewählten Kandidaten ein persönliches, konstruktives Feedback und zeigt damit Wertschätzung.
- Ladet die qualifizierten Zweit- und Drittplatzierten gerne auch zusätzlich in einen Talentpool ein. Wichtig: Das ist insbesondere dann ein Plus, wenn ihr den Talentpool aktiv pflegt und dann auch bei neuen Vakanzen vergleichbarer Art tatsächlich nutzt.
Stimmung und Begeisterung beflügeln das Gefühl “Dabei sein ist alles”
Athleten saugen die besondere Atmosphäre auf und liefern Höchstleistungen ab, selbst wenn sie nicht gewinnen. Viele Teilnehmende berichten über das tolle Gefühl, hier dabei zu sein. Dazu tragen die Rahmenbedingungen bei, die u.a. für reibungslose Abläufe sorgen. Und auch das Publikum, das die Athleten durch Anfeuern und Applaus unterstützt.
Anders oft im Recruiting. Bewerbende starten häufig mit großer Euphorie in den Bewerbungsprozess. Und werden dann im weiteren Kennenlernprozess enttäuscht. Mit der Folge, dass sie abspringen, Vertragsangebote ablehnen und ggf. sogar negative Arbeitgeberbewertungen abgeben.
Wenn Kandidaten hingegen ein Recruiting erleben, das ihnen gefällt, dann kann so eine Rückmeldung herauskommen:
„Auch wenn ich nicht mehr für die „zweite Runde“ eingeladen werde, so möchte ich es auf keinen Fall versäumen, mich bei Ihnen zu bedanken. Die Bewerbung hat richtig Spaß gemacht. Zack, zack ohne große Verzögerungen, offen und ehrlich die Meinung gesagt. So liebe ich es und dafür möchte ich mich in aller Form bei Ihnen bedanken! Toll auch, dass Sie mir eine Begründung für meine Ablehnung gegeben haben. So kann ich für die Zukunft darauf achten. Mein Urteil über Sie: Vorbildlich! Sie würde ich einstellen, wenn ich eine Stelle neu zu besetzen hätte.”
Was man von Olympia lernen kann
- Arbeitgeber sollten diesen ersten Schwung und die positive Vorfreude der Bewerbenden nutzen und Kandidaten dann nicht durch langatmige Prozesse, sich wiederholende Interviewfragen, distanziertes Auftreten, wenig Einblicke oder fehlendes Feedback enttäuschen.
- Klare Strukturen, schlanke Prozesse, ein gutes Hand-in-Hand-Spiel und offene Kommunikation helfen, ein positives Erlebnis zu schaffen. Das unterstützt erneute Bewerbungen, positives Bewerberfeedback und Weiterempfehlungen.
Diversity ist selbstverständlich und objektive Leistung zählt
Bei den Olympischen Spielen treten Athleten verschiedener Nationalitäten, Altersgruppen und Hintergründe gegeneinander an. Doch all diese Unterschiede treten in den Hintergrund – es zählt allein die objektive Leistung und klare, faire Regeln, wie diese gemessen wird. Das gilt für die Qualifikation für Olympia wie für die Wettbewerbe bei den Spielen. So kann es dann auch mal sein, dass nicht die Favoriten das Rennen machen, sondern Personen, die man nicht so auf dem Plan hatte.
Im Recruiting sieht das oft anders aus. Subjektive Faktoren, unbewusste Vorurteile und “Schubladen” beeinflussen nicht selten die Entscheidungen.
Was man von Olympia lernen kann
- Klare Anforderungskriterien sind das A & O: Sie gilt es zu Beginn eines jeden Recruitingprozesses zu definieren und auch zu operationalisieren. So wird ein gemeinsames Verständnis dazu entwickelt. Die Bewerberansprache wird dadurch zielgerichteter, Interviews und andere Auswahlinstrumente darauf ausgerichtet und Entscheidungen daran orientiert.
- Strukturierte, anforderungsbezogene Interviews und standardisierte Arbeitsproben helfen, Kandidaten objektiv zu bewerten und Bewertungs- und Beurteilungsfehler zu vermeiden.
- Unconscious Bias sind zwar nie ganz zu vermeiden, aber es ist wichtig immer wieder dafür zu sensibilisieren. Das kann z.B. durch Trainings und kollegiales Feedback erfolgen.
Trainer und Coaches als Erfolgsgaranten
Olympische Athleten werden von Trainern und Coaches unterstützt. Sie bereiten die Teilnehmenden auf die Spiele vor, vermitteln ihnen Methoden, zeigen Strategien auf mit verschiedenen Situationen umzugehen. Sie geben kritisches und motivierendes Feedback, geben Erfahrungen weiter.
Im Recruiting sieht das des öfteren anders aus. Viele Führungskräfte und Recruiter haben keine Recruiting-Trainings absolviert und verlassen sich auf Learning by Doing. So läuft Recruiting in den meisten Fällen eher suboptimal.
Die Folgen: Viele wursteln sich irgendwie durch, Bewerbende merken aber den Unterschied zwischen Profi und Amateur und schließen nicht selten von dieser Erfahrung auf die Professionalität des Arbeitgebers insgesamt. Auch der Rekrutierungserfolg ist oft nicht wie erhofft und der Aufwand für viele Recruiting-Schritte ist höher als er sein müsste.
Hut ab vor einer Führungskraft, die uns in einem Briefing fragte, ob wir ihr ein paar Tipps für das Führen von Vorstellungsgesprächen geben könnten. Wir haben einen Mentoring-Termin vereinbart und gezielt die Themen besprochen, die für die Führungskraft herausfordernd waren. Ein paar Wochen später erzählte uns die Führungskraft im Abschlussgespräch zum Recruitingprozess, dass sie sich nun viel sicherer fühle und auch das Gefühl hat, besser und schneller entscheiden zu können.
Was man von Olympia lernen kann
- Investiert in ein freiwilliges Angebot an (Online-) Schulungen und Trainings zu ausgewählten Recruiting-Themen für Führungskräfte und Recruiter.
- Ergänzt bei ggf. vorhandenen Führungsnachwuchsprogrammen das Lernangebot z.B. zu Projektmanagement, Verhandeln, Führen von Mitarbeitergesprächen etc. um das Thema Recruiting.
- Bietet Junior-Recruitern – egal ob Berufseinsteigende oder Quereinsteiger – eine Art “Grundbesohlung” in Sachen Recruiting. Das gibt ihnen Sicherheit, spart Zeit in der Einarbeitung und sie können viel schneller produktiv sein.
- Etabliert Mentoring-Programme, bei denen erfahrene interne oder externe Recruiter ihr Wissen weitergeben.
- Fördert eine Kultur des kontinuierlichen Lernens und der Weiterentwicklung in Sachen Recruiting. Ein Ansatzpunkt dafür: ein kollegiales Feedback am Ende eines jeden Recruitingprozesses etablieren.
Teamdenken als Leistungsmotivator
Nicht nur bei den Mannschaftssportarten zählt jeder Spieler. Auch in Einzelsportarten unterstützen und pushen sich Teammitglieder gegenseitig. Das Team wirkt als System, bei dem alle Rädchen ineinandergreifen. Immer ein Ziel vor Augen: die Bestleistung abrufen und idealerweise auf dem Treppchen landen.
Im Recruiting fehlt manchmal das Teamdenken. Es mangelt an Vertrauen und Kommunikation zwischen Recruitern und Hiring Managern. So zweifeln Hiring Manager zum Teil, dass Recruiter eine gute Vorauswahl machen, und wollen alle Bewerbungen sehen. Oder Rückmeldungen zu Bewerbungsvorschlägen oder vom Fachbereich alleine geführten Interviews bleiben aus und Recruiter sitzen das aus.
Wir persönlich setzten sehr viel auf kontinuierliche Kommunikation mit Hiring Managern. Mag sein, dass es sie manchmal auch etwas nervt und fordert. Aber in aller Regel kommen wir damit als Team schneller und zielgerichterter zum Ziel, ärgern uns weniger und bekommen zum Schluss mehr als einmal richtig gutes Feedback.
Was man von Olympia lernen kann
- Etabliert am besten gleich zu Beginn des Recruiting-Prozesses, z.B. im Briefing, ein gemeinsames Ziel zwischen euch als Recruiter und Hiring Manager. Und zeigt auf, dass das Erreichen dieses Ziels ein enges Zusammenspiel miteinander erforderlich macht.
- Stimmt dazu wichtige Parameter ab, z.B. den Recruitingprozess, Zeitbedarfe und Terminfenster, Service Level Agreements (SLA) sowie Kommunikationsroutinen für den regelmäßigen Austausch.
- Greift dabei wo irgendwie möglich auf erprobte Tools zurück, die das Zusammenspiel vereinfachen. So sparen Bewerbermanagement-Systeme oder Auswahltools wie (teil-) strukturierte Interviewleitfäden, Arbeitsproben oder Testverfahren nicht nur unheimlich viel Zeit und Abstimmaufwand. Sie steigern außerdem die Qualität des Recruiting-Ergebnisses.
Über den Tellerrand geguckt
Sportliche Spitzenleistungen und erfolgreiches Recruiting passieren nicht einfach so. Es braucht klare Rahmenbedingungen, Regeln und Prozesse sowie eine gute Zusammenarbeit der Beteiligten.
Die hier aufgezeigten Learnings zu Olympia sind ein schönes Beispiel dafür, wie man von anderen Disziplinen lernen kann. Nutzt die Anregungen und Impulse gerne, um aus eurem Recruiting ein noch stärkeres Recruiting zu machen und eure Recruiting-Ergebnisse weiter zu verbessern.
* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.