2024 war wieder mal ein Jahr der Kontraste: Da gab es Hiring Manager, die mit viel Bauchgefühl und wenig System an ihre Entscheidungen gingen – und jene, die sich mit unserer Unterstützung zu wahren Entscheidungsprofis entwickelten. Es gab Kandidaten, die uns zum Staunen brachten, und andere, die uns forderten. Und dann waren da Recruiter, die sich in einem Spannungsfeld aus hoher Arbeitsbelastung und mangelnder Wertschätzung bewegten.
Unsere Erfahrungen im operativen Recruiting sowie aus zahlreichen Trainings, Mentorings und Workshops haben uns eines erneut deutlich gemacht: Die Welt des Recruitings ist ein Mikrokosmos aus Herausforderungen, Missverständnissen und Erfolgsstories. Jetzt zum Jahresende ist genau die richtige Zeit, die Erfahrungen aus diesem Jahr zu reflektieren und zu teilen. Hier sind unsere 5 x 5 aus 2024.
115 Stunden Trainings, Workshops und Mentorings mit Recruitern – 5 Erkenntnisse, was sie aktuell treibt
1 | Arbeitsdruck durch unrealistische Erwartungen
Der hohe Druck resultiert häufig aus überzogenen Erwartungen der Hiring Manager hinsichtlich Bewerbungszahlen und -qualität sowie aus Prozessen, die nicht mit den Erwartungen der Bewerbenden übereinstimmen.
2 | Fehlende Augenhöhe mit Hiring Managern
Oft erleben Recruiter ein hierarchisches Verhältnis statt einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit. Sie fühlen sich nicht selten wie reine Erfüllungsgehilfen.
3 | Ausgebremst werden bei Veränderungsabsichten zu Prozessen etc
Wer etwas ändern möchte, stößt häufig auf Widerstände: Keine Zeit, kein Budget, läuft doch – die häufigsten Argumente, die Veränderungen blockieren.
4 | Unzufriedenheit mit Bewerbermanagement-Systemen
Mängel bei der Nutzung der Systeme führen zu Doppelarbeit, unnötigen Nachfragen und Problemen bei der Ermittlung verlässlicher Kennzahlen, was die Arbeit der Recruiter zusätzlich erschwert.
5 | Überforderung durch fehlendes Know-how
Viele Recruiter fühlen sich unsicher im Umgang mit unterschiedlichen Persönlichkeiten und Situationen. Die Angst vor Fehlern hemmt sie, selbstbewusst zu agieren.
5 Jahre Recruiting Service mit mehr als 50 Hiring Managern – 5 Learnings aus der Zusammenarbeit
1 | Schubladendenken und Bauchgefühl dominieren noch oft
Sowohl bei der Sichtung von Unterlagen als auch in Kennenlernsituationen entscheiden viele Hiring Manager noch immer eher aus dem Bauch heraus – oft geprägt von vorgefertigten Denkmustern.
2 | Häufig Unsicherheit in Vorstellungsgesprächen
Viele Hiring Manager sind in Interviews und bei Entscheidungsfindungen unsicher, geben dies jedoch nur selten zu.
3 | Hiring Manager reagieren oft erst auf beharrliches Nachfassen
Klare Kommunikation und ein nachhaltiges „freundliches Dranbleiben“ sind oft nötig, um Rückmeldungen, Entscheidungen und ein bewerberorientiertes Auftreten sicherzustellen.
4 | Bewerbermanagement-Systemen werden oft suboptimal genutzt
Wenn Hiring Manager das Bewerbermanagement-System umgehen oder nicht optimal nutzen, ist das selten böser Wille. Viel häufiger liegt es an Unsicherheit oder mangelndem Wissen im Umgang damit.
5 | Unklare Anforderungen erschweren den Prozess
Zu Beginn des Recruiting-Prozesses wissen viele Hiring Manager oft noch nicht genau, wen sie eigentlich suchen. Die Konsequenz: Sie wünschen sich möglichst viele Bewerbungen, um eine breite Auswahl zu haben.
5 Situationen, in denen wir in diesem Jahr förmlich die Luft angehalten haben
1 | Klagedrohung wegen Duzen
Ein Kandidat drohte mit rechtlichen Schritten, nachdem er in der Kommunikation geduzt wurde, und bestand auf eine förmliche Ansprache.
2 | Abbruch eines Interviews durch den Bewerbenden
Ein Bewerber beendete im Rahmen der vereinbarten Zeit mit Blick auf die Uhr das Interview aktiv mit der Begründung, dass er einen Anschlusstermin habe. Und verwies darauf, dass noch offene Fragen später telefonisch geklärt werden könnten.
3 | Diskriminierendes Feedback durch Hiring Manager
Nach einem Zweitgespräch berichtete ein Bewerber, dass die Führungskraft ihm gesagt habe, sie würde eine jüngere Person für das Team bevorzugen.
4 | Kunde in der Insolvenz
Statt einer Zahlung erreichte uns die Nachricht, dass sich ein Kunde in einem Schutzschirmverfahren befinde. Heißt für uns: Leistung erbracht, aber erst mal keine Gegenleistung.
5 | Ein weiterer Fall von Ghosting, oder?
Beim Nachfass aufgrund einer ausbleibenden Rückmeldung nach Angebotserstellung hörten wir: Unserem Ansprechpartner wurde gekündigt. Fristlos. Dennoch fanden wir – obwohl wir schon dachten, das war’s – ein offenes Ohr.
5 Aussagen aus Recruiting-Teams, die uns nachdenklich machen
1 | „Eignungsdiagnostik schreckt Bewerbende ab.“
Der Verzicht auf Diagnostik, um Bewerbende nicht abzuschrecken, wird häufig pauschalisiert – ohne eine differenzierte Betrachtung der Vorteile.
2 | „Teilzeit? Nicht bei uns.“
Obwohl nach außen Teilzeit als Option beworben wird, gibt es intern eine klare Erwartung: 100 % Leistung – so wird schnell aus “gut gemeint” ein Absagegrund für Führungskräfte.
3 | „Bewerbende müssen warten.“
Ein Beispiel: „Ich bin im Urlaub. Danach können wir schauen, wann wir einen Termin machen.“
4 | „Viel einschlägige Erfahrung = geeignet.“
Lange Berufserfahrung wird oft fälschlicherweise als Synonym für fachliche Eignung angesehen.
5 | „Das ist für mich unehrlich – wenn eine Frau ihre Kinder nicht aktiv im Jobinterview erwähnt.“
In Vorstellungsgesprächen werden z.T. aufgrund von Alltagserfahrungen unterschiedliche Maßstäbe je nach Geschlecht der Bewerbenden angelegt. Nicht das Geschlecht, nicht ggf. vorhandene Kinder, sondern die Umsetzbarkeit der geforderten Rahmenbedingungen des Jobs sollten der Maßstab sein und aktiv vom Arbeitgeber geklärt werden.
Ein persönliches Highlight zum Schluss: Wenn du Weihnachtspost versendest und DAS passiert postwendend
Die häufig geäußerte Kritik an mangelnder Wertschätzung gegenüber Recruitern können wir so nicht ganz unterschreiben. Ein schönes Beispiel. Wir haben Weihnachtsgrüße an unsere Kunden und an die Hiring Manager versendet, mit denen wir in 2024 zusammengearbeitet haben. Und nach wenigen Minuten erreichte uns das erste persönliche Feedback und viele weitere kamen im Laufe des Tages rein. Die Gründe für die wertschätzenden Rückmeldungen konnten wir in und zwischen den Zeilen lesen – hier 5, die in unterschiedlicher Form genannt wurden und die wir als Tipps an euch weitergeben:
1 | Ownership und Guidance
Agiert als Owner von Recruitingprozessen und seid Guides für Hiring Manager – das gibt ihnen Sicherheit und entlastet sie zuverlässig.
2 | Kontinuierliche Kommunikation
Durch regelmäßige Updates minimiert ihr Überraschungen und durch kollegiale Beratung und gute Dokumentationen stellt ihr sicher, dass Entscheidungen der Hiring Manager auf fundierten Informationen beruhen.
3 | Probleme ansprechen und Lösungen bieten
Weist auf Unzulänglichkeiten im Miteinander hin, hakt nach oder eskaliert bei Bedarf – und macht auch immer Lösungsvorschläge, so dass Führungskräfte einerseits sensibilisiert sind, andererseits aber auch schnell für Abhilfe sorgen können.
4 | Kompetenz und Marktkenntnis
Mit fundiertem Wissen über den Arbeitsmarkt und Bewerbererwartungen sowie durch praktische Tipps und How-to-Hilfestellungen zum Recruiting stärkt ihr die Handlungskompetenz eures Gegenübers und das Vertrauen in eure Kompetenz.
5 | Unkomplizierte Zusammenarbeit
Überzeugt durch Zuverlässigkeit, Flexibilität und eine klare, verständliche Kommunikation – auch in kritischen Situationen.
Mit klarem Blick ins neue Jahr
2024 hat uns erneut gezeigt, dass Recruiting kein Selbstläufer ist. Es erfordert Empathie und Standing, Struktur und Klarheit – und manchmal auch den Mut, alte Muster aufzubrechen. Unsere 5×5 Erfahrungen haben uns nicht nur erneut viel über die Herausforderungen, sondern auch über die Chancen in der Zusammenarbeit mit Hiring Managern und Recruitern gelehrt.
Und das nehmen wir für uns und euch mit :
- Recruiter tun sich mit erfahrenen Sparrings-Partnern leichter – egal, ob diese intern oder extern sind
- Mal das Recruiter-Mindset prüfen – und “Umparken im Kopf” vom Dienstleister zum Guide für Hiring Manager
- Kritische Situationen sind im Recruiting unausweichlich: Erfahrung und Kommunikationsstärke sind dann essentiell für souveränes Handeln
- Recruiter müssen beharrlich Aufklärungsarbeit leisten und mit Information und Kompetenz gegen Trugschlüsse und Vorurteile arbeiten
- Guidance, kontinuierliche, klare und offene Kommunikation, Positionierung, Kompetenz & Marktkenntnis sind beste Voraussetzungen für positives Feedback als Recruiter
Mit diesen Learnings blicken wir zuversichtlich auf das kommende Jahr. Denn jedes Hindernis ist auch eine Chance, Prozesse zu verbessern, Menschen zu stärken und das Recruiting weiterzuentwickeln – für Unternehmen, Bewerbende und uns selbst.
* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.