Backstage | Vor kurzem fühlte ich mich an die Aussage meines Patenkindes erinnert. Es hatte Vogel mit F geschrieben und als ich es darauf hinwies, bekam ich als Antwort: “Bleib mal locker, V oder F ist doch ganz egal, schließlich weißt du doch, was gemeint ist.” In dem Fall stimmte das zwar grundsätzlich, aber … Als ich an dem Tag, als ich mich daran erinnerte, eine Mail von einem unserer IT-Dienstleister bekam und anfing die Antwort auf unsere Support-Anfrage zu lesen, schweifte ich unbewusst immer wieder ab. Ich konnte mich immer weniger auf den Inhalt konzentrieren, statt dessen sprang ein Rechtschreibfehler nach dem anderen ins Auge. Unweigerlich schaute ich auf den Absender und las: xxx – Auszubildender Fachinformatiker/ Systemintegration.
Warum ich überhaupt darauf so eingehe?
Nun, im Rahmen der Personalauswahl komme ich unweigerlich immer wieder mit dem Thema Rechtschreibung in Berührung. Gerade bei der Azubi-Auswahl ist das oft Diskussionspunkt. Die Zahl derer, die solche Basics wie Rechtschreib-Kenntnisse mit dem Hinweis wegwischen, dass die Persönlichkeit doch viel wichtiger sei, hat in den letzten Jahren zugenommen. Wohl auch, weil die Zahl der Bewerber rückläufig ist und Ausbildungsplätze nur schwer besetzt werden können. Gerade bei der Auswahl von Auszubildenden für IT-Berufe ist das beobachtbar.
Aber tut (IT-) Ausbilder sich damit einen Gefallen?
Um es gleich vorwegzunehmen: ich bin keine Sprach-Konservative, die sich eine Freude daraus macht, Fehler in der Korrespondenz und Kommunikation anderer aufzudecken. Und ja, auch meine Mails und Briefe haben immer mal Fehler. Aber dennoch gibt es ja grundlegende Regeln in der deutschen Sprache und die auch nicht umsonst.
- Durch Schreibfehler entstehen eben gerne auch Missverständnisse und eine relativ einwandfreie Rechtschreibung signalisiert dem Gegenüber ja auch einen gewissen Respekt: man bemüht sich eben das zu vermeiden, was mir passiert ist. Nämlich, dass ins Auge springende Fehler den Leser von der eigentlichen Botschaft ablenken oder sein Textverstehen erschweren.
- Mit übermäßig vielen Fehlern in der Korrespondenz oder in Unterlagen können beim Gegenüber auch unerwünscht Assoziationen entstehen: Wenn man schon so nachlässig dahin geschriebene Mails erhält, wie sorgfältig wird man die Dienstleistung, um die es ggf. geht, wohl erledigen? Wenn ein Ausbilder solche fehlerbehaftete Korrespondenz zulässt, wie gut kontrolliert er dann sonst wohl die Aufgabenerledigung seiner Auszubildenden?
- Rechtschreibung spielt natürlich auch im Tagesgeschäft eine Rolle. Ob Anfragen bei Lieferanten, die je nach Fehler nicht eindeutig sind und zu Fehllieferungen führen; Einträge in Datenbanken, die nicht mehr oder nur noch schwer zu finden sind, weil sie falsch geschrieben sind; oder – speziell im IT-Bereich – Codes, die falsch geschrieben sind und immer wieder Fehlermeldungen erzeugen, etc. Dadurch werden Prozesse ineffizienter und dauern länger.
Ohne Basics hilft Persönlichkeit wenig und umgekehrt natürlich auch
Mir hat dieser Auszubildende IT-Systemintegration mit seiner E-Mail einen Gefallen getan und ein schönes Anschauungsobjekt geliefert, um für die nächste Diskussion über die Relevanz von Rechtschreibung bei der Auswahl von (IT-) Auszubildenden gewappnet zu sein. Klar spielt Persönlichkeit eine Rolle, aber Basics wie Rechtschreibung müssen gegeben sein, um zumindest Teile des Jobs gut zu machen und den Arbeitgeber gut nach außen zu vertreten. Und letztlich auch, um die Abschlussprüfung zu bestehen. Denn hier spielen grundlegende Basics nach wie vor eine Rolle.
Mag manch Leser mich nun als Boomer bezeichnen und abwinken. Das kann ich ab. Und auch mein Patenkind hat – inzwischen etabliert im Berufsleben – den Wert von richtiger Rechtschreibung kennengelernt; die typischen Rechtschreibfehler, die es so über die Jahre konserviert hat, gibt es heute in seinem Mails und Chats nicht mehr.
* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.