Es gibt immer weniger Schulabgänger in Deutschland – allein in den nächsten vier Jahren sind es 16% weniger – entsprechend weniger Bewerber sind auf der Suche nach Ausbildungsplätzen. Azubiauswahl ist häufig mit den Strukturen in den Unternehmen gewachsen und aus Zeit- oder Budgetgründen lange Zeit nicht in Frage gestellt worden. Viele Ausbilder und HR´ler passen sich mehr oder weniger gern den traditionellen Vorgehensweisen an, mit denen teilweise seit Jahrzehnten auf die gleiche Weise ausgewählt wird. Klassische Auswahlkriterien sind beispielsweise der Eindruck von Bewerbungsmappen, Schulnoten, der subjektive Eindruck im Gespräch und Ergebnisse aus zum Teil Leistungstests, die teilweise seit 20 Jahren genutzt werden, ohne dass nennenswerte Änderungen der Inhalte in den Testfragen oder in der Vorgehensweise vorgenommen wurden. Viele wissen, dass diese Auswahlkriterien nicht an modernen wissenschaftlichen Standards orientiert und deutlich verbesserungswürdig sind und beschreiben ihre Auswahlprozesse selbst sehr kritisch als ungenügend und unbefriedigend.
Schulnoten korrelieren mit Ausbildungserfolg deutlich geringer als man denkt: nur 16% des Erfolges in der Ausbildung kann durch Schulnoten vorhergesagt werden. Trotzdem werden sie sehr häufig als Auswahlinstrument eingesetzt.
Zwar geben die Noten eines Zeugnisses einen guten Einblick in die bisherige Leistung, sie können jedoch auch täuschen. Wer in der Pubertät gleichzeitig mit familiären Problemen zu kämpfen hat oder sich mit dem Lehrer nicht versteht, hat oft schlechtere Schulnoten, als seinem eigentlichen Können entsprechen würde. Mit der Eignungsdiagnostik durch das Online-Assessment können auch diejenigen Kandidaten eine Chance bekommen, die aufgrund ihrer Noten sonst nicht in Frage kommen würden. Mit dieser Form der Personalauswahl besteht kaum die Gefahr einer False-Negative-Selection. Einige Unternehmen beispielsweise setzen bei ihrer Personalauswahl der künftigen Azubis auf die Eignungsdiagnostik per Online-Assessment, statt allein die Schulnoten für die Entscheidung heranzuziehen.
Anforderungsbezogene Auswahl mit Eignungsdiagnostik
Der eignungsdiagnostische Markt ist mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen und den unternehmerischen Bedürfnissen mitgewachsen und liefert Lösungen für die Probleme bei der Auswahl von Azubis. Heutzutage beruht die Basis der Eignungsdiagnostik auf den aktuellen Entwicklungen der Persönlichkeitspsychologie und auf tatsächlich erfolgsrelevantem Verhalten. Die Anforderungen der Arbeitswelt sind in den Merkmalen der Tests abgebildet, damit Leistungsbewertung stattfinden kann. Wenn die richtigen Kriterien gesucht werden, können sie auch gefunden werden.
Im ersten Schritt kann man sich die verschiedenen Anteile von Persönlichkeit vergegenwärtigen (vgl. Abbildung 1).
Die verschiedenen Persönlichkeitsanteile können in dieser Differenzierung von Testverfahren erfasst werden. Manche dieser Anteile sind eher relevant sind für den Ausbildungserfolg als andere. Manche dieser Anteile sind für den Erfolg in der einen Stelle unverzichtbar und in anderen nur nebensächlich. Es hängt im Detail von den Anforderungen der Tätigkeit ab. Die Anforderungen sollten einzeln eruiert werden: Welchen Beruf erlernt der Azubi? Beschreiben Sie eine erfolgskritische Situation in diesem Beruf. Beschreiben Sie, mit welchen Kompetenzen ein Azubi diese Situation erfolgreich bewältigen wird. Die Kompetenzen sind in verschiedene Bereiche unterteilt (vgl. Abbildung 2).
In der klassischen und traditionellen Auswahlsituation werden vielfach Kompetenzen aus den unteren Kategorien berücksichtigt – fachliche und methodische Kompetenz. Dabei sind Faktoren der Persönlichkeit auch zu berücksichtigen. Manche Tests zielen eher auf die Belastbarkeit und die Konzentration der Bewerber ab. Auch motorische, sensorische und kognitive Faktoren lassen sich mit Hilfe standardisierter Testverfahren ermitteln. Dazu gehören beispielsweise die korrekte Rechtschreibung, aber auch mathematisches und logisches Denken, sprachliche Fähigkeiten und das räumliche Vorstellungsvermögen.
Ausschlaggebend und erfolgsrelevant für viele Situationen sind Selbst- und Sozialkompetenzen, die aus den Leistungstests, dem Anschreiben, der Bewerbungsmappe, dem Lebenslauf oder den Noten gar nicht herausgelesen werden können. Diese Kompetenzen werden häufig erst am Ende der Auswahl berücksichtigt, nämlich in Interviews oder Assessments. Das war bisher auch eher unproblematisch, da die Bewerberquote stimmte. Mit der demografischen Entwicklung ändert sich das. Die Grundquote der geeigneten Bewerber muss erhöht werden. Schlechte Prognosequalität in Kombination mit sinkender Bewerberzahl ist die Realität für viele Unternehmen – und im Hinblick auf die Tendenzen im demografischen Wandel nicht mehr akzeptabel.