Liest du die Fachzeitschrift Personalwirtschaft? Dann hast du sicher auch den Fachbeitrag zum Thema HR-Outsourcing (PW+) in der September-Ausgabe gesehen (sonst blättere gerne nochmals rein auf Seite 36-37). Basis für den Artikel sind Interviews mit Experten. Auch wir von upo wurden interviewt und zwar zum Teilbereich Recruitment Process Outsourcing (RPO). Und weil in dem Artikel natürlich nicht alle Fragen und Antworten verarbeitet werden konnten, gehe ich hier etwas ausführlicher auf die diskutierten Themen und meine Positionierung als Interviewpartner seitens upo ein.
Warum wir nicht von RPO sprechen, sondern von Recruiting Service
Der Begriff “Recruitment Process Outsourcing” (RPO) ist in der HR-Welt nicht so präsent und oft auch eher kritisch konnotiert. Oft wird Recruiting als ureigenste Sache der Personaler oder Recruiter eines Unternehmens gesehen und ein “Abgeben” an Dritte als negatives Signal gewertet:
- Nach innen, als Zeichen eigener Recruiting-Schwäche oder falscher Prioritätensetzung (Recruiting gibt man ab, andere Aufgaben nicht) .
- Nach außen als Signal an Bewerbende, dass sie es nicht wert sind, dass man sich persönlich seitens des Arbeitgebers um sie kümmert.
Beides ist aus unserer Sicht und der Sicht der Befürworter von RPO falsch. Das Einbeziehen externer Recruiting-Experten kann vielmehr bestehende Recruitingteams unterstützen, entlasten und in ihrer Expertise – auch in der Außenwahrnehmung stärken.
Die meisten Unternehmen, die über RPO nachdenken oder es einsetzen, suchen gezielt eine zeitweise Unterstützung z.B. für
- bestimmte Besetzungsprojekte (z.B. jährliches Traineeprogramm oder IT-Positionen) oder
- Entwicklungsphasen ihres Unternehmens (z.B. Eröffnung neuer Standorte, Ausbau von Geschäftszweigen, erster Wachstumsschub von Start-ups) oder
- zur Überbrückung von Lücken im eigenen Recruiting-/HR-Team (z.B. wegen Elterzeit, Sabbatical)
Sie wollen dazu weder Personal im Recruiting anbauen noch denken sie generell über Outsourcing und Streichen von Arbeitsplätzen im Recruiting nach.
Und genau hier setzt unser Ansatz und unser Verständnis auch an: Wir verstehen uns als verlängerter Arm der internen Recruiting-Verantwortlichen, nicht als externer Dienstleister, der Aufgaben „wegnimmt“. Und genau deshalb sprechen wir in unserem Angebot auch von Recruiting-Service.
Der Unterschied zu Headhuntern
Ein großer Unterschied ist, dass Headhunter mit “eigenen” Kandidaten an ihre Kunden herantreten und ihnen zum Suchprofil passende Personen vorschlagen. Wenn diese Kandidaten nicht passen, werden sie auch anderen Unternehmen mit vergleichbaren Suchprofilen angeboten.
Die Rolle von RPO-Dienstleistern und uns als Recruiting Service-Partnern ist eine andere.
- Wir übernehmen wie die Inhouse-Recruiter ganz oder teilweise verschiedene Schritte des internen Recruitingprozesses von der Personalanforderung über die Bewerberansprache und die Auswahl bis zur Zu-/Absage. D.h. wir arbeiten mit Bewerbenden des Kunden und begleiten diese und die Hiring Manager durch den Bewerbungsprozess wie die eigenen Recruiter es auch tun würden.
- Dabei nutzen wir i.d.R. die bestehenden Bewerbungsmanagementsysteme und Tools des Unternehmens, um eine nahtlose Integration zu gewährleisten. Und Service-Level-Agreements (SLA) bilden oft unseren Handlungs- und Entscheidungsrahmen.
Ein zweiter wichtiger Unterschied betrifft die Kosten. Während die klassische Vermittlung durch Headhunter oft ein bestimmter Prozentsatz des Jahresentgelts der gesuchten Person ausmacht, berechnen wir z.B. Fallpauschalen je erfolgter Aktivität, z.B. Bewerbungsanalyse, Interview.
Dienstleister können nie Visitenkarte des Unternehmens sein – stimmt das?
Kritiker des Outsourcings von Recruiting-Aufgaben führen oft an, dass externe Dienstleister niemals die „Visitenkarte“ eines Unternehmens sein können. Diese Bedenken sind verständlich, aber nicht zwingend zutreffend.
Denn nicht die vertragliche Konstellation, sondern Erfahrung, Einfühlungsvermögen und eine intensive Auseinandersetzung mit Unternehmen, Fachbereich und jeweiligem Job entscheidet darüber, wie glaubwürdig man ein Unternehmen gegenüber Kandidaten vertreten kann. Das gilt für Externe genauso wie für (neue, betrieblich unerfahrene) interne Recruiter.
Gerade zu Beginn eines Recruiting-Service Projektes machen wir uns deshalb ein umfassendes Bild über Unternehmen und Fachbereich, die gelebte Zusammenarbeit, Rahmenbedingungen und Benefits. Und je länger wir mit einem Kunden zusammenarbeiten, desto besser können wir ihn repräsentieren und die Passung von Kandidaten nicht nur fachlich, sondern auch kulturell bewerten.
Der gegebenenfalls vorhandenen Skepsis von Kandidaten begegnen wir mit einer offenen Kommunikation über unsere Rolle und erleben überwiegend positive Reaktionen. Viele sehen sogar einen Vorteil in unserer „externen“ Position und stellen uns z.B. Fragen, die sie intern so nicht stellen würden. Viele Kandidaten schätzen auch unsere sehr gute Erreichbarkeit und Kandidatenkommunikation, die sich oft deutlich von Erfahrungen mit zeitlich überlasteten Recruitingbereichen abhebt.
Hürden und Erfolgsfaktoren beim Recruiting-Outsourcing
Recruiting-Outsourcing ist kein Selbstläufer. Es gibt bestimmte Voraussetzungen, die – ebenso wie beim Inhouse-Recruiting – beim Auftraggeber erfüllt sein müssen, damit es den gewünschten Erfolg bringt: Wenn
- Anforderungen und Rahmenbedingungen zur Vakanz unklar bleiben,
- Hiring Manager sich weder Zeit für die Abstimmung mit dem (externen) Recruiting noch für das Kennenlernen von Kandidaten nehmen (können),
- Anforderungsprofile im gegebenen Bewerbermarkt nicht abgedeckt werden können,
- wenig Entscheidungsfreude vorhanden ist,
dann stößt auch externes Recruiting an seine Grenzen – und dann bleibt der Rekrutierungserfolg aus.
Wichtig ist auch, dass der RPO-Dienstleister ausreichend Kapazitäten zur Auftragsübernahme und eine ausgeprägte Recruiting-Expertise und Erfahrung hat. Wir persönlich legen außerdem Wert auf ein Recruiting-Mindset, das einem professionellen, kandidatenorientierten Vorgehen entspricht und Recruitern auch Entscheidungskompetenzen gibt.
Argumente für das Outsourcing von Recruiting-Aufgaben
Die Entscheidung für oder gegen ein Outsourcing hängt immer von der individuellen Ausgangslage des Unternehmens ab. Grundsätzlich ist die (zeitweise) Auslagerung von Recruiting-Aufgaben immer dann hilfreich, wenn interne Ressourcen quantitativ oder qualitativ fehlen.
Weitere Argumente sprechen außerdem dafür:
- Schnelligkeit und Flexibilität:
Mit externen Partnern können Recruiting-Projekte schnell und flexibel gestartet werden und müssen nicht bei Kapazitätsengpässen im Recruiting/HR-Bereich nach hinten verschoben werden. Vakanzen können so schneller besetzt werden. - Know-how-Transfer:
Wenn intern Recruiting-Know-how fehlt, profitieren Unternehmen von der Expertise externer Partner – und können ggf. sogar aus der Zusammenarbeit Learnings für künftige Besetzungsprojekte in Eigenregie mitnehmen. - Positive Candidate Experience:
Bewerbende schätzen die professionelle Betreuung durch externe Experten meist mehr als man denkt. Das zeigen Reaktionen und Feedbacks. Denn anders als das interne Recruiting können RPO-Partner oft eine höhere und flexiblere Erreichbarkeit und eine umfassendere direkte Kommunikation realisieren. Diese Pluspunkte strahlen auch auf das Arbeitgeberimage des beauftragenden Arbeitgebers ab.
Die ideale Konstellation auf HR-Seite für ein erfolgreiches Recruiting-Outsourcing
Es gibt aus unserer Erfahrung keine “ideale” Konstellation für die Auslagerung von Recruiting-Aufgaben. Ob Unternehmen ohne eigene HR-Abteilung, mit umfassender HR-Betreuung oder spezialisierten Recruiting-Teams – eine Zusammenarbeit ist in jedem Fall möglich.
Entscheidend ist aber die Bereitschaft zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit, idealerweise auf Basis von SLA (Service Level Agreements), und ein ähnliches Mindset bzgl. Recruiting und dem Umgang mit Bewerbenden.
Fazit: Ein strategisches Instrument zur Entlastung und Stärkung
Das Outsourcing von Recruiting-Aufgaben ist keine Notlösung oder etwas, von dem man am besten die Finger lässt. Es bietet Unternehmen die Möglichkeit, schnell und flexibel auf Vakanzen und Marktanforderungen zu reagieren ohne das Recruiting-Team zeitweise aufzustocken. Es entlastet interne Recruiting-Teams ohne Abstriche im Zeitplan oder Qualitätseinbußen. Und es kann ein nicht zu unterschätzender Vorteil für die Candidate Experience sein. Recruiting Outsourcing ist – wie gerade hier beschrieben und verstanden – daher vielmehr ein starkes strategisches Instrument zur Steigerung des Rekrutierungserfolgs. Ebenso wie der Einkauf anderer Ressourcen wie z.B. Unterstützung beim Employer Branding oder die Bereitstellung von Recruiting Tools.
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