Nicht-akademische Fachkräfte sind gefragt wie nie. Der "War for Talents" findet nicht mehr nur um Ingenieure, ITler oder Online-Marketingspezialisten statt. Pflegepersonal wird bundesweit händeringend gesucht, aber auch LKW-Fahrer, Handwerker und andere nicht-akademische Berufsgruppen. Fachkräfte reagieren auf den Trend mit mehr Selbstbewusstsein. Das zeigt eine aktuelle Befragung des Stellenmarkts meinestadt.de zur Wahrnehmung der Bewerbungssituation unter 2.470 Fachkräften mit Berufsausbildung.
55,4 Prozent der Umfrageteilnehmer geben an, sich beim Schreiben von Bewerbungen "sehr sicher" bis "sicher" zu fühlen. Nur einer von zehn fühlt sich sehr unsicher. Diese Sicherheit geht allerdings nicht mit einer Vorliebe für jeden Schritt des Bewerbungsprozesses einher. Oft nehmen Fachkräfte das Anschreiben als "Zeitverschwendung" wahr und fordern neue, mobile Formen der Bewerbung.
Selbstbewusste Pflegekräfte
Auffällig ist, dass sich Fachkräfte aus der Pflegebranche mit rund 65 Prozent im Branchenvergleich mit Abstand am sichersten beim Schreiben von Bewerbungen einstufen. Hier macht sich vermutlich der große Mangel an Pflegepersonal bemerkbar, der gerade das Selbstbewusstsein in dieser Berufsgruppe erhöht. Bei Fachkräften aus dem Handwerk sind es 44 Prozent, bei Einzelhändlern 41 Prozent. Teilnehmer aus der Logistikbranche fühlen sich zu 40 Prozent sehr sicher bis sicher. Grund für die Gelassenheit der Fachkräfte dürfte vor allem deren Begehrtheit auf dem Arbeitsmarkt sein: Unternehmen beklagen seit langem Fachkräfteengpässe in vielen Berufssparten.
Großteil setzt auf eigene Fähigkeiten und Überzeugungstalent
Noch selbstbewusster bewerteten die befragten Fachkräfte ihr Abschneiden in Bewerbungsgesprächen. Mehr als 60 Prozent geben an, sich im Gespräch "sehr gut" bis "gut" präsentieren zu können. Auch hier stufen sich Pflegekräfte mit Abstand am stärksten ein. Als Hauptgrund für einen guten Auftritt im Jobinterview geben alle Befragten mit 44 Prozent das Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten an. 27,9 Prozent setzen auf ihr Überzeugungstalent und jeder Fünfte denkt nicht großartig über die Situation nach und fühlt sich deswegen sicher.
Die Chemie muss stimmen
Fragt man Fachkräfte mit Berufsausbildung nach Kriterien für ein gutes Bewerbungsgespräch, wird deutlich, dass viele der Befragten Wert auf ein Gespräch "auf Augenhöhe" legen, bei dem man sich im besten Fall "wohlfühlt" und die "Chemie stimmt". Auch wichtig ist, dass "nicht die Standardfragen abgeklappert, sondern individuelle und vor allem realistische Fragen gestellt werden", wie es ein Teilnehmer formuliert. Fachkräfte aus der Pflegebranche legen insbesondere Wert auf die Authentizität ihrer Gesprächspartner, Befragte aus dem Handwerk wollen sich in der Gesprächssituation am ehesten wohlfühlen und Teilnehmer aus Handel und Logistik schätzen vor allem Offenheit und Wertschätzung im Gespräch.
Zukunftsfähigkeit des eigenen Berufs
Fachkräfte blicken insgesamt optimistisch in die eigene berufliche Zukunft. Trotz immer wiederkehrender Thesen zum "Ende der Arbeit" oder der "Revolution der künstlichen Intelligenz" glauben Fachkräfte mit Berufsausbildung mehrheitlich an die Zukunftsfähigkeit ihres jeweiligen Berufs. In einer weiteren Befragung von meinestadt.de, der "Attraktive Jobs" Studie, geben 85,4 Prozent an, dass ihre Tätigkeit auch in 10 Jahren noch benötigt wird. Insbesondere in der Pflegebranche ist die Zustimmung mit 99 Prozent extrem hoch.
Jobsicherheit macht selbstbewusst
Dazu trägt sicher auch das Gefühl bei, einen "sicheren Job" zu haben. Mit 83,1 Prozent stuft ein auffällig großer Teil der für die "Attraktive Jobs"-Umfrage Befragten ihren aktuellen Job als sicher ein. 79,4 Prozent der Zustimmenden geben als Grund für dieses Sicherheitsgefühl ihren unbefristeten Job an. Annähernd jeder Zweite gibt außerdem an, dass der aktuelle Erfolg des Unternehmens Sicherheit vermittelt.
Zu viele Gedanken schaffen Unsicherheit
Nur 9,9 Prozent der für die Umfrage zur Wahrnehmung der Bewerbungssituation Befragten geben an, sich in Bewerbungsgesprächen "schlecht" oder "sehr schlecht" präsentieren zu können. Davon berichtet ein Drittel, zu viel über die Situation nachzudenken. Weitere 30,2 Prozent sind schnell verunsichert und fast jeder Fünfte gibt an, Angst vor der Situation zu haben. Gerade Fachkräfte aus dem Logistikbereich geben vergleichsweise oft an, dass sie zu sehr über die Situation nachdenken.
Vorteile verschaffen
"Der ‘War for Talents’ hat längst klassische Ausbildungsberufe erreicht – Fachkräfte sind sich ihrer privilegierten Lage zunehmend bewusst. "Im Wettbewerb um diese Talente müssen Unternehmen stärker als bisher auf Überzeugen und Gewinnen umschalten – und die alte Selektionslogik beiseite legen – etwa in ihren Stellenanzeigen", so Wolfgang Weber, Geschäftsführer von meinestadt.de. "Arbeitgeber müssen stärker als bislang die spezifischen Bedürfnisse und Ansprüche von Fachkräften wahrnehmen und adressieren. Zudem können neue Formen der Kurzbewerbung und eine authentische, offene Gesprächssituation im Erstkontakt den entscheidenden Vorsprung liefern", sagt Weber.