Es ist ein tolles Gefühl. Alles lief gut – ich bin mir sicher, ich habe einen guten Eindruck hinterlassen und meine Performance war überzeugend. Doch, Achtung, ist das wirklich so? Da war dieser Blick und dieses merkwürdige Gehampel mit dem Stift bei meinem Gegenüber, eine versteckte Geste? Außerdem habe ich jetzt schon ein paar Tage nichts mehr gehört … Hätte ich doch mal besser nachgefragt, ein Feedback eingeholt. Dann wüsste ich jetzt Bescheid. Meine Zweifel wachsen und die Selbstzufriedenheit schmilzt dahin, wie mein Eis an diesem lauen Sommerabend. – Kennen Sie das Gefühl?
Nachfragen, Feedback aktiv einholen ist für eine realistische Positionsbestimmung in vielen Lebenslagen äußerst hilfreich. Das gilt auch für das Recruiting. Denn obwohl wir durch diverse Studien zu wissen glauben, was Bewerber auf der einen und Recruiter/ Recruiting Manager auf der anderen Seite erwarten, eine fundierte Einschätzung kann es nur von den konkreten Personen in Bezug auf die konkrete Situation und das konkrete Handeln geben. Und davon profitieren Bewerber wie auch Arbeitgeber.
Feedback geben
Ein echtes Feedback an Bewerber fällt im wahren Leben meist unter den Tisch. Sehr zum Ärger vieler Bewerber weichen Unternehmen bei Absagen auf allgemeine Hinweise oder Floskeln aus. Gründe dafür sind zum einen der mit dem Feedback verbundene Aufwand und zum anderen die Befürchtung, in Hinblick auf das AGG angreifbar zu werden (mehr dazu hier).
Dennoch sind Feedbacks mit überschaubarem Aufwand und Risiko möglich, wenn man ein paar Spielregeln beachtet.
Tipps für das Feedback an Bewerber
- Geben Sie Bewerbern das Feedback möglichst persönlich/ telefonisch; Sie können dann auf den Bewerber und seine Reaktion direkt eingehen.
- Begründen Sie Ihre Entscheidung mit klaren Aussagen zu Bewertungen bei zwei bis drei wesentlichen Anforderungen, in denen der Bewerber ggf. nicht überzeugt hat.
- Vermeiden Sie Diskussionen über potenziell diskriminierende Gründe, das Bewerbungsverfahren und die durchführenden Personen. Optional können Sie bei Kritik am Bewerbungsverfahren oder an den handelnden Personen auch direkt die Teilnahme an einer Bewerberbefragung anbieten.
- Zeigen Sie Verständnis für eine ggf. erkennbare Enttäuschung. Vielleicht haben Sie auch noch einen Praxis-Tipp für den Bewerber.
- Eine freundliche und wohlwollende Beendigung des Feedback-Gesprächs untermauert die positive Wirkung. Kommt der Bewerber möglicherweise für andere Aufgaben im Unternehmen in Betracht, bietet sich ein Angebot zur Aufnahme in einen Bewerberpool oder der Hinweis auf eine spätere erneute Bewerbung an.
Feedback einholen
Auch bei Bewerbern Feedback einzuholen, ist nicht wirklich verbreitet. Laut einer Studie von Textkernel bitten nur 18% der Unternehmen ihre Bewerber regelmäßig um Feedback. Auch hier schauen die Verantwortlichen auf den zusätzlichen Aufwand. Hinzu kommen Bedenken, die Bewerber mit der Bitte zu belästigen oder gar zu signalisieren, dass am eigenen Auswahlprozess gezweifelt wird. Die Bitte um Feedback und Beurteilung ist aber mitnichten ein Zeichen von Schwäche. Im Gegenteil sind wir inzwischen in vielen Bereichen wie Handel oder Dienstleistung gewohnt, Feedback zu geben. Eigentlich gehört es bereits zum guten Ton, Feedback zu ermöglichen. Also warum nicht auch im Recruiting?
Die Einholung eines Feedbacks kann durch eine anonyme (Online-) Befragung, telefonisch oder im Rahmen eines Workshops erfolgen.
Welche Variante in Frage kommt, hängt z.B. von der Bewerbungsschlagzahl und den Bewerberzielgruppen ab. In jedem Fall sollten aber ein paar grundsätzliche Punkte beachtet werden.
Tipps zum Einholen von Bewerberfeedback
- Passen Sie Fragen an spezifische Bewerberzielgruppen und den verwendeten Bewerbungsprozess an.
- Führen Sie die Befragung auf freiwilliger Basis und idealerweise anonym durch, um die Auskunftsbereitschaft der Bewerber zu steigern. Die Einbindung einer neutralen Instanz kann die Anonymität unterstreichen.
- Beschränken Sie die Befragung auf das Notwendige. So sollten Bewerber nur nach den Auswahlschritten befragt werden, an denen sie auch teilgenommen haben.
- Formulieren Sie die Fragen klar und verständlich. Abwechselnde Fragetypen und Antwortmöglichkeiten verringern die Abbruchwahrscheinlichkeit.
Feedback – Geben und Nehmen als WIN-WIN-Situation
Klar, Feedback ist mit Aufwand verbunden. Wir müssen uns Zeit dafür nehmen und uns auch vorab ein paar Gedanken machen. Und dann gibt es auch noch das AGG-Klagerisiko für Unternehmen, die Bewerbern ein Rückmeldung geben. Aber es gibt viel zu gewinnen und ein “sauberer” Auswahlprozess bietet guten Schutz.
Bewerber gewinnen durch ein Feedback. Sie fühlen sich wertgeschätzt. Sie können die eigene Bewerbungsstrategie überdenken und im Detail an den genannten Kritikpunkten feilen. Aus Bewerbersicht bieten sich gerade bei einer Absage zur konkreten Stelle Chancen gegenüber dem Feedbackgeber, mit einer souveränen Reaktion zu punkten und den Boden für eine erneute Bewerbung zu bereiten.
Unternehmen gewinnen mit dem Einholen von Feedback. Mit dem Signal an den Bewerber, dass man sich der Kritik stellt, kann das Arbeitgeberimage gestärkt werden. Die Kritik am Verfahren und beteiligten Personen bietet die direkte Chance, Schwachstellen zu beseitigen und positive Erfahrungen auszubauen. Das kommt dann direkt den folgenden Bewerbungsverfahren und den Bewerbern zu Gute – nicht nur die Candidate Experience kann so verbessert werden.
Und da ist es dann wieder da: das tolle Gefühl vom Anfang.
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Lesen Sie zu diesem Thema auch:
- Dr. Ruth Böck: Von der Frage danach profitieren: So gehen professionelle Kandidatenfeedbacks im Recruiting, 25.03.2015 auf business24.ch
- Dr. Karl-Heinrich Bruckschen: Bewerbern diskriminierungsfrei absagen, 24.02.2015 auf business-wissen.de
* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.