Die überwiegende Anzahl der Bewerber hierzulande hält Arbeitgeber für wenig glaubwürdig. Fast zwei Drittel (63,5%) von ihnen stehen Aussagen und Botschaften, die Unternehmen als Arbeitgeber treffen, skeptisch gegenüber. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Bewerber-Studie, für die das Marktforschungsunternehmen respondi im Auftrag des Video-Recruiting Anbieters viasto bundesweit mehr als 1.000 Kandidaten befragt hat. Demnach glauben 65% dieser kritischen Bewerber, dass Arbeitgeber beispielsweise in Stellenanzeigen oder auf Karrierewebseiten im Sinne ihrer Interessen flunkern. Weitere 29% nehmen die Aussagen vor allem deswegen nicht ernst, weil sie diese letztlich für austauschbar halten. Die kritische Haltung deckt sich mit den konkreten Erfahrungen der Befragten. Denn sieben von zehn Bewerbern gaben im Rahmen der Befragung an, im Verlauf des Bewerbungsprozesses bereits mindestens einmal einen Unterschied zwischen dem kommunizierten und dem tatsächlich erlebten Unternehmensbild festgestellt zu haben. Gefährlich für die Unternehmen: 98 Prozent aller Studienteilnehmer gaben an, dass ihre persönlichen Erlebnisse im Bewerbungsprozess auch auf ihre Wahrnehmung des Unternehmens abstrahlen – für 51 Prozent sogar stark.
Glaubwürdigkeit der Arbeitgeber steigt mit den Vorstellungsgesprächen
Mit dieser skeptischen Grundhaltung starten viele Kandidaten auch in den konkreten Bewerbungsprozess. So zweifeln 40 Prozent von ihnen schon in der ersten schriftlichen Kommunikation an den Arbeitgeberaussagen. 43% gehen zudem davon aus, dass auch im ersten Telefon-Interview von Unternehmensseite nicht authentisch kommuniziert wird. Erst ab einem Gespräch, bei dem sich beide Parteien in die Augen sehen können, fällt der Anteil der Zweifler deutlich ab und der Dialog auf Augenhöhe zwischen Bewerber und Arbeitgeber beginnt. So finden 71% der Befragten, dass sich Arbeitgeber in der direkten Kommunikation, sei es vor Ort oder via Video, endlich glaubwürdig äußern – im zweiten Interview steigt dieser Anteil gar auf 83%.
„Wir sehen in der Studie, dass Bewerber und Arbeitgeber in ihrer Kommunikation miteinander, die sie ja eigentlich zusammenbringen soll, eher kritisch starten. Erst im Verlauf des Bewerbungsprozesses bekommen die Arbeitgeber die Kurve und überzeugen vor allem durch glaubwürdige persönliche Begegnungen. Diese empathische Wirkung sollten Unternehmen früher beim Bewerber erzielen, indem sie ihm oder ihr früher persönlich begegnen“, so Martin Becker, Geschäftsführer bei viasto.
Mehr als die Hälfte der Bewerber halten Infos in Stellenanzeigen für Flunkereien
Besonders skeptisch zeigen sich die Bewerber gegenüber Arbeitgeberaussagen auf deren eigenen Plattformen wie der Karriere-Webseite (61%), Stellenanzeigen (53%) sowie auf Karriere-Blogs (68%). Aber auch auf externen Karriereportalen schenken sie den Unternehmen wenig glauben. So sind 64% der Kandidaten skeptisch, was Unternehmensinformationen auf Jobportalen betrifft.
Digitale Prozesse sind kein Auslöser für Bewerber-Skepsis
Interessant: Die Einführung digitaler Prozesse wird von Kandidatenseite nicht mit Skepsis begleitet. Nur jeder fünfte Bewerber sieht diese im Bewerbungsprozess kritischer als in anderen Lebensbereichen. 60 Prozent der Befragten sehen in diesem Kontext keinen Unterschied und 19 Prozent finden digitale Bewerbungsprozesse sogar unkritischer als in anderen Segmenten. Zudem: Sogar unter den Kritikern stellt sich die Mehrheit (57 Prozent) ohne Vorbehalte auf die Digitalisierung der Bewerbung ein.
„Für Arbeitgeber muss es künftig darum gehen, digitale Prozesse in ihren Recruitingprozess einzubinden, die es ihnen trotzdem erlauben, empathisch und persönlich mit den Kandidaten zu kommunizieren. Wer diese Herausforderung besteht, kann standardisierte Prozesse mit dem emotionalen Thema der Jobsuche beziehungsweise des Jobwechsels verbinden und so umworbene Arbeitskräfte gewinnen“, so Martin Becker.
Über die Studie
Für die Studie befragte das Kölner Marktforschungsunternehmen respondi 1.004 Bewerber, die sich in den vergangenen drei Jahren mindestens einmal beworben haben. Davon bewarben sich 61% in diesem Zeitraum bis zu zehnmal, 23% zwischen zehn und zwanzig Mal, 10% zwischen zwanzig und fünfzig Mal und 5% sogar mehr als fünfzig Mal. Der Befragungszeitraum lag im Juni 2018. Die Teilnehmer wurden bundesweit befragt.