Im Vergleich zu den Bewerbern anderer Branchen sind die angehenden Azubis im Public Sector besonders freizeit- und sicherheitsorientiert. Das zeigt die Branchenedition „Public Sector" der Studie „Azubi-Recruiting Trends 2017". Für die von Prof. Dr. Christoph Beck begleitete größte doppelperspektivische Untersuchung zum Azubi-Recruiting im Public Sector hat der Solinger Ausbildungsspezialist u-form Testsysteme gemeinsam mit dem Behörden Spiegel 1.477 Azubi-Bewerber und Auszubildende sowie Ausbildungsverantwortliche befragt.
Organisationen im Public Sector stehen vor großen Herausforderungen. Das Mind-Set eines großen Teils des Nachwuchses passt möglicherweise nicht ideal zu dieser steigenden Dynamik in der Branche: In den Köpfen der meisten Azubis sind Sicherheit und eine gute Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben Trumpf.
Sicherheit zuerst
„Welche drei Dinge sind dir im Rahmen deiner beruflichen Karriere besonders wichtig?" 80,8 % der Bewerber für den Öffentlichen Dienst entscheiden sich bei dieser Frage für die „Ausgewogenheit zwischen Beruf und Freizeit" (branchenübergreifend sind es 60,2 %). Sinnorientierung spielt eine größere Rolle: Für 78,1 % ist es besonders wichtig, eine „sinnvolle Tätigkeit" auszuüben (branchenübergreifend: 64,9 %). „Immer mehr zu lernen" fällt demgegenüber stark ab und spielt nur für 38,7 % der Public Sector-Azubis eine große Rolle (branchenübergreifend: 52,9 %). Der auffälligste Unterschied zwischen Bewerbern außerhalb und innerhalb des öffentlichen Sektors ist die ausgeprägte Sicherheitsorientierung. 75,2 % der Public Sector-Azubis legen auf „Jobsicherheit" wert (branchenübergreifend: 33,4 %), 54,6 % auf „gute Übernahmechancen" im Unternehmen (branchenübergreifend: 30,9 %). Auch in den Freitextfeldern zu den Prioritäten bei der Wahl des Ausbildungsbetriebs spielt „Sicherheit" eine große Rolle. Dort fallen häufig Begriffe wie „Sicherheit des Arbeitsplatzes", „Jobsicherheit", „sichere unbefristete Übernahme" oder „langfristige Sicherheit".
Nichtanpassung an einen Nachfragemarkt
Die Studie zeigt außerdem: Ein Großteil der Azubi-Bewerber bei der öffentlichen Hand muss heute nicht allzu lange suchen, um einen Ausbildungsplatz zu erhalten: 43,7 % schreiben eine bis fünf Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz, weitere 20,6 % reichen dafür sechs bis zehn Bewerbungen ein. Aus der Sicht der Azubis ist die Lage also weitgehend entspannt. Betriebe müssen sich stärker als bisher um die Azubis bemühen. Das gilt ebenso für andere Branchen, wie ein Blick in die branchenübergreifenden Ergebnisse der Studie „Azubi-Recruiting Trends" zeigt.
Bei den Verwaltungen und öffentlichen Unternehmen ist die geringe Anpassung an die geänderten Marktverhältnisse allerdings besonders ausgeprägt. Für rund die Hälfte der Azubi-Kandidaten im Public Sector gleicht die Bewerbung einem „schönen Gruß ans Nirwana": 49,7 % machen die Erfahrung, überhaupt keine Antwort auf die Bewerbung zu erhalten (branchenübergreifend sind es 45,4 %). „Am meisten geärgert hat mich, dass ich bis heute weder eine Eingangsbestätigung noch eine Absage erhalten habe", schreibt ein Azubi-Teilnehmer. „Unmöglich finde ich es, wenn Unternehmen gar nicht auf Bewerbungen reagieren oder die Unterlagen nicht zurücksenden", berichtet ein anderer.
Anforderungsprofile
In einem Nachfragemarkt müssen sich die Anbieter um ihre „Kunden" (= Bewerber) bemühen. Die Azubi-Gewinnung im Public Sector ist aber nach wie vor nicht auf „Gewinnen" ausgerichtet, sondern auf „Auswahl". Ausbildungsunternehmen nehmen die in Stellenanzeigen veröffentlichten Anforderungsprofile besonders ernst. 22,2 % der befragten Ausbildungsorganisationen sortieren Kandidaten konsequent aus, die nicht alle in den Stellenanzeigen gewünschten Qualifikationen mitbringen, in anderen Branchen sind es nur 2,3 %. Dem Statement „Die Anforderungen müssen nicht alle erfüllt sein, der Gesamteindruck des Bewerbers/der Bewerberin ist wichtiger" stimmen dagegen nur 26,5 % der Ausbildungsverantwortlichen aus dem Public Sector zu, branchenübergreifend sind es 61,4 %. Eine relative Mehrheit von 41,6 % möchte die Anforderungen „größtenteils" erfüllt sehen, branchenübergreifend sind es 26,5 %.
„Lange Wartezeiten"
Darüber, wie die Bewerbungsverfahren bei den Azubi-Bewerbern ankommen, geben zahlreiche Kommentare Auskunft. „Was hat dich im Bewerbungsprozess am meisten geärgert?" Über 500 (angehende) Azubis berichteten in einem Freitextfeld von ihren Erlebnissen. Während einige Teilnehmer schlicht „nichts" an den Bewerbungsverfahren zu bemängeln haben, sehen andere die „langen Wartezeiten" bei den einzelnen Bewerbungsschritten oder das zum Teil als zu wenig wertschätzend empfundene Verhalten der Vertreter der Ausbildungsorganisationen im Bewerbungsgespräch kritisch. Einige Azubi-Bewerber fühlen sich angesichts der Größe der Auswahlkommissionen im Öffentlichen Dienst eingeschüchtert: „Ich fand es manchmal komisch, wenn beim Bewerbungsgespräch zehn bis 15 Personen mit im Raum saßen, die einen nur beobachtet haben."
Schnelligkeit und Kandidatenorientierung
Die Studie gibt Hinweise darauf, dass der Public Sector derzeit vor allem Nachwuchs gewinnt, der dem traditionellen Bild des „Öffentlichen Diensts" entspricht. „In einigen Fällen dürfte das gut passen. In anderen müssen sich insbesondere Organisationen mit gestiegener Veränderungsgeschwindigkeit fragen, wie sie auch andere Bewerber von sich überzeugen können. Hier bietet zum Beispiel das Thema ‚Sinn‘ einen guten Ansatz", sagt Felicia Ullrich, Geschäftsführerin von u-form Testsysteme und Initiatorin der Studie. „Ein Mehr an Kandidatenorientierung und Schnelligkeit in den Prozessen würde die Chancen von Ausbildungsorganisationen im Öffentlichen Dienst erhöhen, gute Nachwuchskräfte für sich zu gewinnen", sagt R. Uwe Proll, Chefredakteur und Herausgeber des Behörden Spiegel.
Über die Branchenedition „Public Sector"
Die Branchenedition „Public Sector" der Studie „Azubi-Recruiting Trends" wurde in diesem Jahr zum ersten Mal durchgeführt. Teilgenommen haben 950 Bewerber und Auszubildende sowie 527 Ausbildungsverantwortliche. Die gemeinsam u-form Testsysteme und Behörden Spiegel durchgeführte Studie stellt die größte doppelperspektivische Untersuchung zum Azubi-Recruiting in der öffentlichen Verwaltung dar. Die branchenübergreifende Studie „Azubi-Recruiting Trends" hat u-form Testsysteme in diesem Jahr zum achten Mal durchgeführt. Prof. Dr. Christoph Beck hat sowohl die branchenübergreifende Edition als auch die Public Sector-Ausgabe wissenschaftlich begleitet. Beck lehrt Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Human Resources Management an der Hochschule Koblenz und ist Herausgeber des Standardwerks Ausbildungsmarketing 2.0. www.testsysteme.de/studie.