Pandemiebedingt haben viele Unternehmen auf die Recruiting-Bremse getreten. Andere haben gerade aufgrund der Pandemie einen Nachfrageschub erhalten und entsprechend einen hohen Bedarf an Neueinstellungen gehabt. Online- und Lebensmitteleinzelhandel, die Logistik-Branche, IT- und Cloud-Dienstleistungen oder auch Entwickler und Hersteller von Medizin- und Sicherheitstechnik gehören dazu.
Und auch Fahrrad-Hersteller, wie wir aus eigener Erfahrung wissen. Was tun, wenn durch den Nachfrageboom eine neue Produktionsstätte aufgebaut werden wird und man mehrere Hundert neue Mitarbeitende für Produktion und produktionsnahe Jobs im Bereich Lager und Logistik benötigt?
- Mit den vorhandenen Leuten in HR den erheblichen Mehraufwand stemmen? Und so entweder die HR’ler*innen überfordern oder wichtige andere Themen weit nach hinten schieben?
- (Befristet) neue Kolleg*innen für HR einstellen und so die Personalkosten deutlich erhöhen, zusätzlich den Einarbeitungsaufwand meistern und das Risiko von Ausfallzeiten oder Fluktuation eingehen?
- Oder eine externe Lösung finden und das Projekt “Recruiting für die neue Produktionsstätte” (zumindest teilweise) outsourcen.
Der besagte Fahrrad-Hersteller hat sich für den Einkauf externer Unterstützung entschieden. Aus den Gesprächen mit der Personalleitung haben wir herausgehört, welche Gedankenspiele dem vorausgegangen sind und wie wir sie auch in anderen Fällen ähnlich erlebt haben, z.B. bei einer Baumarkt-Kette, einem Kunden-Service-Center oder einem Versicherungskonzern.
Make or Buy, das ist oft die Frage und Abwägung
Und bei den Überlegungen zur Beantwortung dieser grundsätzlichen Frage, kommen schnell Detailfragen wie diese auf: Welche Kooperationsformen gibt es eigentlich und welche passt am besten zu unserer Situation? Welche Chancen und Risiken sind mit der Kooperation mit externen Recruiting-Partnern verbunden? Insbesondere auch: rechnet sich das Ganze? Schauen wir mal gemeinsam auf Antworten darauf.
Kooperationsmöglichkeiten mit externen Recruiting Partnern
Neben einer Vielzahl an Varianten und Kombinationen gibt es im Wesentlichen diese 4 Formen der Zusammenarbeit mit externen Recruiting Partnern:
- Personaldienstleister/ Personalberater: Sie suchen im Kunden-Auftrag unter eigenem Namen Mitarbeiter via Direktansprache oder anzeigengestützt und stellen vorausgewählte Bewerber(profile) vor. Für diese Dienstleistung wird ein Honorar fällig, das meist zwischen 20 und 30% des Jahresgehalts neu eingestellter Mitarbeitender beträgt. Rein erfolgsabhängige Kooperationen sind möglich, aber eher selten. I.d.R. wird ein Teil des Honorar bereits bei Beauftragung und/oder Vorstellung geeigneter Kandidaten fällig. Diese Kooperationsform wird vor allem dann genutzt, wenn man das Bewerbungspotenzial zur Auswahl von Kandidat*innen erweitern möchte und noch ein paar Zusatzinformationen über die Bewerbungsunterlagen hinaus erhalten will.
- RPO-Dienstleister (RPO = Recruiting Process Outsourcing): Sie übernehmen einzelne oder alle Recruitingschritte für Auftraggeber und in deren Namen. Sie erwarten meist ein Honorar in Abhängigkeit vom Aufwand für die übernommenen Recruitingschritte. Diese Kooperationen sind hilfreich, wenn man das eigene Team in mehreren Auswahlschritten personell verstärken oder ganze Recruitingprozesse abgeben möchte und trotzdem Bewerbenden gegenüber als rekrutierendes Unternehmen auftreten will. Ausfallsicherheit wie auch bedarfsweise Mehrbedarf an Unterstützung wird durch den RPO-Dienstleister sichergestellt.
- Freiberufliche Interims-Recruiter: Auf sie wird aus ähnlichen Gründen wie bei RPO-Dienstleistern zurückgegriffen. Da es sich meist um Einzelpersonen handelt, können hier meist keine Mehrbedarfe abgedeckt oder Ausfallsicherheit gewährleistet werden. Sie werden für eine begrenzte Zeit Teil des Teams und unterstützen operativ oder bei Projekten. Ihre Bezahlung erfolgt meist nach Zeiteinsatz zu einem vorher vereinbarten Tages-/Stundensatz, der wiederum abhängig ist vom Background des Interim-Recruiters und seinen konkreten Aufgaben.
- Spezialisierte Recruiting-Berater: Sie übernehmen insbesondere Aufgaben im Projektgeschäft wie z.B. im Personalmarketing, Prozessoptimierungen oder die Implementierung von Recruiting-Systemen, die das operative Recruiting beschleunigen oder qualitativ besser machen. Ihr Honorar bemisst sich meist in Tagessätzen plus ggf. einem Bonus bei erfolgreichem oder fristgerechtem Projektabschluss.
Wesentliche Chancen und Risiken einer Zusammenarbeit mit externen Recruiting Partnern
Unabhängig von der Form der Zusammenarbeit ist der größte Pluspunkt die Entlastung des eigenen Personal-/Recruitingteams. Durch die zusätzlichen Personal-Kapazitäten kann stärker parallel bzw. arbeitsteilig gearbeitet werden. So lassen sich hochvolumige oder sehr zeitkritische Recruiting-Projekte beschleunigen und mit höherer Wahrscheinlichkeit erfolgreich zum Ziel führen.
Der Rückgriff auf Know-how, Erfahrungswerte sowie Marktüberblick des externen Partners zahlt aber auch zusätzlich auf die Ergebnis-Qualität ein und reduziert das Fehlerrisiko. Außerdem kann man als Auftraggeber durch den Austausch mit den externen Partnern auch Impulse für Verbesserungen im Recruiting – auch jenseits des konkreten Auftrags – erhalten und aus deren Wissen und Erfahrungen Honig saugen.
Diesen wesentlichen Vorteilen stehen die potenziellen Kosten einerseits und die Unsicherheit in Bezug auf die zu erwartende Leistungen andererseits gegenüber.
Potenzielle Kosten der Zusammenarbeit
Natürlich kosten externe Partner Geld – aber pauschal zu unterstellen, dass das Vermittlungshonorar, die Stunden-/Tagessätze oder Projektpreise viel zu hoch sind, greift zu kurz. Auch das Honorar externer Partner mit dem eigenen Gehalt zu vergleichen, ist ein Vergleich von Äpfel mit Birnen.
Mit dem Honorar bestreiten die externen Recruiting-Partner nicht nur ihren Zeit- und Materialeinsatz. Sie müssen auch Kosten für Personal und den laufenden Bürobetrieb, Akquise-, Verwaltungs- und Versicherungskosten, Kosten persönlicher Ausfallzeiten und Weiterbildung etc. decken.
Ein fairer Vergleich der Kosten für Eigenleistungen mit den Kosten für Dienstleistungen muss deshalb weitaus mehr Kostenpositionen als die meist nur herangezogenen direkten Gehaltskosten berücksichtigen.
Fehlen interne Ressourcen, kann der Verzicht auf die Zusammenarbeit mit externen Partnern außerdem auch indirekte Kosten verursachen:
- Stellen werden nicht zeitnah oder mit Qualitätsabstrichen besetzt – Produktivitätseinbußen sind die Folge
- Bewerber*innen erleben einen wenig professionellen Auswahlprozess – die Arbeitgeberreputation leidet
- Notwendige strategische Projekte oder die Erledigung anderer wichtiger Aufgaben werden verzögert – potenzielle Vorteile dadurch werden nicht realisiert
Einschätzung der Leistung von externen Recruiting Partnern
Dienstleistungsqualität ist nicht einfach einzuschätzen. Das weiß jeder, der schon mal mit einem Friseur oder Arzt unzufrieden war. Um die Leistungen eines Anbieters besser einordnen zu können, helfen diese Maßnahmen:
- Stellen Sie einen Katalog Ihrer Anforderungen auf: Das zahlt sich bei Anbieterrecherche, Angebotseinholung und –vergleich aus.
- Verschaffen Sie sich einen Überblick über bisherige Aufträge: Referenzliste, Business Cases sowie Testimonials geben Einblicke. Es sollten Ihrem Unternehmen und Anliegen vergleichbare Erfahrungen erkennbar sein.
- Führen Sie einen „Online-Background-Check“ durch: Gibt es Bewertungen oder Auszeichnungen? Unterstreichen Veröffentlichungen oder Blogbeiträge die Kompetenz? Welcher Qualifikations- und Erfahrungshintergrund liegt vor?
- Suchen Sie das Gespräch mit Anbietern: Hinterfragen und vergleichen Sie z.B. Arbeitsweise, Qualitätsanspruch, Kommunikationsstil etc.
- Vermeiden Sie klassische Beurteilungsfehler: Top-Firmen auf der Referenzliste, Mitarbeiterzahl und Adresse sind nicht zwingend ein Indiz für Qualität.
Externe Recruiting Partner als unternehmerische Option einbeziehen
Ob pandemiebedingt oder aus anderen Gründen – wer im Recruiting auch auf die Kooperation mit externen Recruiting Partnern setzt, kann deutlich flexibler handeln und mehr Rekrutierungserfolg einfahren. Darauf zu verzichten, um vermeintlich Geld zu sparen, rechnet sich nicht. Die Kooperation mit externen Recruiting-Partnern ist eine auch unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten durchaus interessante Option – vorausgesetzt man rechnet richtig und setzt nicht ohne weitere Prüfung auf den erstbesten oder günstigsten Recruiting Partner.
Hinweis: Teile dieses Blogbeitrags sind vor einiger Zeit im damaligen Mittelstandsblog von Yourfirm von der gleichen Autorin publiziert worden.
* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.