Hast du schon einen der Audio-Werbespots von Monster gehört, die es seit Mitte September gibt? Die Story: Szenen aus Bewerbungsgesprächen werden aufgegriffen, in denen Job-Interviewer Bewerbenden typische Standardfragen stellen. Und dann kommen Antworten, die Kandidaten* eigentlich am liebsten geben, aber natürlich eher so nicht sagen würden.
Dabei geht es z.B. um: Gehaltsvorstellungen, Lücken im Lebenslauf, Interesse gerade an diesem Arbeitgeber, Selbstbeschreibung in einem Wort, persönliche Stärken, Visionen.
Fragen dieser Art sind noch ganz viele im Umlauf. Ich erinnere nur an
- Wo sehen Sie sich in 5 Jahren?
- Was lesen Sie gerade? Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
- Wie sieht das ideale Unternehmen für Sie aus?
- Welche Menschen sind Ihre Vorbilder?
Monster bedient sich dieser z.T. ziemlich abgedroschenen Standardfragen und macht daraus gute Spots, die zum Schmunzeln und Weitererzählen anregen. Das Jobportal möchte sich damit nicht nur als Jobinformant positionieren, sondern auch auf sich als Karriere-Ratgeber verstärkt aufmerksam machen.
Wer als Job-Interviewer etwas selbstkritisch ist, erkennt den Spiegel, den diese Liste vielen von uns vorhält. Und auch die Risiken, die die Nutzung dieser Fragen mit sich bringt. Und dafür kann man gar nicht genug sensibilisieren.
Positionierung als Karriere-Ratgeber
Als Karriereberater gibt Monster nicht nur Tipps zur Beantwortung der vermeintlich 12 fiesesten Fragen, die Personaler sich für Vorstellungsgespräche ausgedacht haben. Das Jobportal geht noch weiter in die Tiefe und stellt berufsspezifische Fragen und Beantwortungstipps für spezielle Positionen online und frei zugänglich bereit. Beispiele sind Fragen für Jobs als Buchhalter, Mediengestalter, Pressesprecher, Hausmeister*. Die Liste wird sicher noch weiter ausgebaut.
Wer jetzt denkt, “prima Tipp von euch – da gucke ich doch gleich mal rein, um vielleicht noch ein neue paar Fragen für die nächsten Interviews z.B. mit Kandidatinnen für die Buchhaltung zu haben”, der sollte mal kurz nachdenken. Je mehr Bewerber das Beratungsangebot von Monster (und anderen) nutzen und je mehr Job-Interviewer sich aus solchen Standard-Fragepools bedienen, desto mehr wird das Interview zu einem erwartbaren Frage-Antwort-Spiel ohne wirklichen Erkenntnisgewinn.
Stopp: Keine gute Idee in Fragenpools zu wildern und Standardfragen zu sammeln
Leider passiert aber genau das sehr oft. HR’ler/Recruiter, aber vielmehr noch einstellende Führungskräfte, machen es sich einfach und stellen sich Interviewfragen aus solchen Fragepools zusammen. Auswahlkriterien sind da z.B., dass die Fragen interessant klingen oder man sie persönlich spannend findet. So werden auch gerne sogenannte Brainteaser verwendet. Insbesondere dann, wenn man weiß, dass bekannte Firmenchefs sie verwenden (Beispiele hier).
Sicher ist da auch die eine oder andere gute Frage dabei.
Aber ob sie für die Vakanz, um die es gerade geht, oder zur Prüfung der Anforderungen, die an potenzielle Stelleninhaber gestellt werden, oder für die Bewerberzielgruppe oder als Einzelfrage angemessen ist, muss oft infrage gestellt werden.
Daher verwundert es auch nicht, dass sich Personalentscheider nach Interviews oft schwer tun, anhand der Aussagen im Gespräch die Passung von Kandidaten zu bewerten. In der Studie Monster insights 2021 geben 41% der Befragten die Beurteilung von Personen im Interview als größte Herausforderung im Recruitingprozess an.
Und weil die Beurteilung schwerfällt, passiert leider oft das: Bewerber werden anhand einzelner Aussagen, Sympathie oder Bauchgefühl abgelehnt oder eingestellt. Und bei Letzterem wird dann oft bereits kurz nach der Einstellung feststellt, dass die Passung nicht wirklich gegeben ist.
Besser als Standardfragen
Wer wirklich etwas über Bewerber erfahren möchte, der verwendet überwiegend andere Fragen und nutzt entsprechende Fragetechniken. Und die anderen (insbesondere auch Führungskräfte) tun gut daran, sich selbst bzgl. Interviewführung besser aufzustellen und auch Nachwuchskräften von Anfang an das richtige Handwerkszeug an die Hand zu geben.
Anders als mit den beispielhaften Standardfragen erfährt man mit anforderungsorientierten Fragen (z.B. STAR-Methode) oder/ und situativen Fragetechniken deutlich mehr über persönliche und soziale Kompetenzen. Gleiches gilt für die Drei Schritte-Methode zur Erkundung spezieller Kenntnisse (z.B. Sprach-, IT- oder berufsfachliche Kenntnisse) oder von Wechsel-/ Bewerbungsmotivationen. Und wenn Bewerber auf solche Fragen versuchen mit Standardantworten auszuweichen, kann man mit passenden Nachfragetechniken parieren und konkretere Antworten erhalten.
Mit solchen Fragen und Fragetechniken werden Interviews das, was sie sein sollen: ein wirkliches gegenseitiges Kennenlernen. Und wer nun meint, dass solche Fragen Bewerber vielleicht verschrecken, der irrt. In einer Umfrage von viasto aus 2018 zeigte sich, dass 68% der Befragten sich ein herausforderndes Interview wünschen. Aber nur 19% erleben dies. Bewerber möchten gerne persönlich von sich überzeugen können. Und genau das ist mit anforderungsorientierten/ situativen Fragen besser möglich als mit Standardantworten auf Standardfragen.
* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.