Eine aktuelle Umfrage brachte wieder einmal interessante Ergebnisse zum Stellenwert flexibler Arbeitszeiten bei Beschäftigten in Deutschland zutage. Auf den Punkt gebracht wird immer weniger Präsenzkultur und immer mehr flexibles Arbeiten gewünscht. Andere Umfragen zeigen, dass das Angebot flexibler Arbeitszeiten auch beim Arbeitgeber-Wechsel eine hohe Bedeutung zukommt. Trotzdem kann man bei Betrachtung von Karriereseiten immer wieder feststellen, dass dem Thema wenig Bedeutung geschenkt wird. Und damit verschenken Arbeitgeber an einem der Dreh- und Angelpunkte ihres Personalmarketings wichtige Punkte im Wettbewerb um Fachkräfte. Das könnte man recht einfach ändern.
Arbeitzeit-Wünsche und Arbeitszeit-Realität
In der Umfrage “So arbeitet Deutschland” wurden mehr als 1.100 Personen in Deutschland befragt, auch zum Thema flexible Arbeitszeit. Hier drei bezeichnende Ergebnisse dazu:
- 73% der Berufstätigen in Deutschland wünschen sich eine komplett freie Gestaltung ihrer Arbeitszeit. Und damit ist nicht nur gemeint, dass man morgens etwas später kommen oder mittags etwas früher gehen kann. Die Flexibilitätswünsche beziehen durchaus auch Abend- oder Wochenendzeiten ein, wenn man dafür andere Phasen am Tag frei hat. Jedoch können nur 34% derzeit ihre Arbeit und Arbeitszeit frei einteilen.
- 39% der Teilnehmer der Umfrage möchten gerne öfter vom Homeoffice aus bzw. außerhalb des Büros arbeiten. Sie erkennen viele Vorteile wie effektiveres und motivierteres Arbeiten, ohne die Augen vor möglichen Nachteilen zu verschließen. Derzeit verbringen die Befragten etwa 12% ihrer Arbeitszeit zu Hause.
- Und auch ein drittes Ergebnis ist interessant: 71% der Befragten arbeiten trotz Krankheit. Und das nicht, weil es von ihnen erwartet wird oder ihnen die Anerkennung des Chefs wichtig ist. Sie befürchten vielmehr, dass durch einen Ausfall zuviel Arbeit liegen bleibt und dann anschließend der Stress besonders groß ist.
Auch eine weitere aktuelle Studie – die Global Candidate Preferences-Studie – zeigt, dass flexibles Arbeiten nach dem Motto “Wie und wann ich will” hoch im Kurs steht.
Flexible Arbeitzeiten auch ein Thema beim Arbeitgeberwechsel
Gerade hat die bevölkerungsrepräsentative Online-Studie “Beruf und Karriere 2017” der CreditPlus Bank herausgestellt, dass jeder Zweite flexible Arbeitszeiten bevorzugt und bei der Wahl eines Arbeitgebers flexible Arbeitszeiten auf Platz 2 der wichtigsten Voraussetzungen für Arbeitgeberattraktivität steht. Für jeden Vierten ist die Möglichkeit des Arbeitens vom Homeoffice aus ein wichtiges Kriterium bei der Arbeitgeberwahl.
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die bevölkerungsrepräsentative Studie Arbeitszufriedenheit in Deutschland 2017. Sie hat u.a. die Bedeutung flexibler Arbeitszeiten im Vergleich zu anderen Arbeitsbedingungen untersucht.
- Wenn Arbeitnehmer sich zwischen mehr Gehalt und flexiblen Arbeitszeiten entscheiden müssten, fällt für die meisten (62,1%) die Entscheidung zugunsten des Geldes. Allerdings verschieben sich die Präferenzen deutlich. 2016 hatten nur 25% für mehr zeitliche Selbstbestimmung votiert, 2017 waren es schon 37,9%.
- Wenn eine Entscheidung zwischen flexiblem Arbeitsort und flexiblen Arbeitszeiten gefällt werden müsste, zeigt die gleiche Studie ein klares Bild: Eine große Mehrheit wünscht flexible Arbeitszeiten (76,9%). Interessant ist dabei auch, dass Gleitzeitregeln mit genauer Zeiterfassung stärker präferiert werden als Vertrauensarbeitszeit.
In der gleichen Studie wurde gefragt, welche Arbeitsbedingungen das Arbeitsleben entscheidend verbessern würde. 37,5% nennen hier an zweiter Stelle direkt hinter “Wunschgehalt” flexible Arbeitszeiten. Auf die Frage hin, welche Faktoren vielleicht doch davon abhalten, aktuell den Job zu wechseln, geben 35,5% ebenfalls wieder flexible Arbeitszeiten direkt hinter dem Faktor Gehalt an. Und bei der Frage nach den Erwartungen an den idealen Arbeitgeber steht die flexible Arbeitszeit bei 45,7% der Befragten sogar an erster Stelle.
Lücken zum Thema flexible Arbeitszeiten auf vielen Karriereseiten
Flexible Arbeitszeiten haben also einen hohen Stellenwert im Hinblick auf Arbeitgeberattraktivität. Und dementsprechend sollte das Thema auch in der Arbeitgeberkommunikation ein nennenswertes Thema sein. Ein zentraler Dreh- und Angelpunkt der Arbeitgeberkommunkation ist die Karriereseite eines Unternehmens. Sie ist zentrale Anlaufstelle für potenzielle Kandidaten – egal von wo aus sie auf den Arbeitgeber aufmerksam wurden.
2015 haben wir von upo in einer breit angelegten Studie die Online Recruiting Praxis von Unternehmen insbesondere in sogenannten Engpassbranchen (Krankenhäuser und IT-Dienstleistung) und dem Mittelstand untersucht (OReP15). Dabei konnten wir feststellen, dass auf Karriereseiten recht wenig über Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit, wozu auch Arbeitszeit gehört, informiert wird. Nur 10,4% informieren z.B. im Mittelstand ausführlich über Rahmenbedingungen. Wenn Informationen bereitgestellt werden, dann vor allem zum Thema Weiterbildung und Kultur/ Klima. Vernachlässigt werden hingegen die nicht unwesentlichen Faktoren Vergütung, Arbeitszeit oder Sozialleistungen.
Mit Informationen über flexible Arbeitszeitmodelle die Arbeitgeber-Attraktivität steigern
Nicht nur angesichts der Tatsache, dass das Pendeln stark zunimmt, kommt dem Thema Arbeitszeit eine hohe Bedeutung zu. Auch der Wunsch nach mehr Vereinbarkeit von Arbeit und Familie oder auch Weiterqualifizierungsvorhaben sind Motive für Arbeitnehmer, Abschied von der Präsenzkultur zu fordern und bei einem Arbeitgeberwechsel genauer auf das Thema flexible Arbeitszeiten zu achten. Wobei es da auch ein paar Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt und auch Berufsstarter eine bemerkenswert eigene Sicht auf flexible Arbeitszeiten haben.
Interessant ist auch, dass der Begriff “flexible Arbeitszeiten” ein weites Feld ist. In einer Umfrage unter Berufseinsteigern in 2016 fühlten sich nur 7% der Berufsstarter ausreichend informiert darüber, was ein Unternehmen unter flexiblen Arbeitszeiten konkret versteht. Anderen Berufsgruppen dürfte es angesichts der Vielzahl an Gestaltungsmöglichkeiten ähnlich gehen. Umso wichtiger ist es, als Unternehmen hier konkreter zu werden.
Hier ein paar Hinweise und Tipps
- Sprechen Sie bereits in der Stellenanzeige nicht einfach nur von flexibler Arbeitszeit, sagen Sie bereits hier möglichst konkret, wie diese aussieht oder verlinken Sie an der Stelle auf die Karriereseite, die Details liefert.
- Vergessen Sie auf der Karriereseite nicht, auch die rationale Seite der Bewerber zu bedienen. Geben Sie einen Überblick über verschiedene Arbeitszeitmodelle, die es in Ihrem Unternehmen gibt.
- Beschreiben Sie die Modelle möglichst einfach und verständlich: Wie sehen die Gestaltungsspielräume konkret aus? Für welche Mitarbeiter(gruppen) gelten die Modelle? Ist ihre Inanspruchnahme an bestimmte Voraussetzungen gebunden? Wie sieht es mit Wechselmöglichkeiten aus? etc.
- Denken Sie nicht nur an Flexibilisierungsmöglichkeiten in der täglichen Arbeitszeit. Beschreiben Sie auch die ggf. vorhandenen Möglichkeiten zur Gestaltung von Jahres- und Lebensarbeitszeit (z.B. Sabbaticals, Altersteilzeit), zum Handling von plötzlichen familiären Notfällen oder die Möglichkeiten des Homeoffices. Auch für diese Modelle gilt: bitte konkret werden, damit Bewerber eine klare Vorstellung davon gewinnen können, welche Möglichkeiten man hat und diese mit den eigenen Vorstellungen und Erwartungen abgleichen kann.
- Ergänzen Sie diese Informationen ruhig um ein paar Zahlen, Daten, Fakten (z.B. Wieviele Arbeitnehmer nehmen welche Modelle in Anspruch) sowie um Mitarbeiterstimmen. Beides zeigt, dass flexible Arbeitszeit nicht nur eine Worthülse ist, sondern im Unternehmen auch gelebt und geschätzt wird.
Das Thema Arbeitszeit ist nur eines von mehreren Informationsbedürfnissen von potenziellen Bewerbern. Studien zeigen immer wieder, welche Informationen Bewerber vermissen/ wünschen oder was für Arbeitnehmer wichtige Attraktivitätsfaktoren sind. Und dabei gilt es zusätzlich noch zu berücksichtigen, dass verschiedene Bewerberzielgruppen unterschiedliche Informationsbedürfnisse haben oder zum gleichen Themenfeld andere Erwartungen aufweisen. Daher sollte man von Zeit zu Zeit seine Karriereseite unter die Lupe nehmen (lassen) und insbesondere auch den vorhandenen Content prüfen. Mit den richtigen Informationen kann man nämlich bereits durch etwas mehr bzw. etwas konkreteren Inhalt zu entscheidenden Themen im Wettbewerb um interessante Bewerber ordentlich punkten.
* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.