Nahezu jedes fünfte Unternehmen weltweit (19 Prozent) hat in der Coronakrise Gehälter gekürzt, 31 Prozent haben die jährlichen Gehaltserhöhungen ausgesetzt. Trotz des Krisenjahres planen deutsche Unternehmen die Gehälter im nächsten Jahr im Median um 2,5 Prozent nominal anzuheben. Das sind zentrale Ergebnisse aktueller Untersuchungen der Personal- und Organisationsberatung Korn Ferry, für die global 4.051 Unternehmen befragt worden sind.
„Was sich zunächst einmal wie schlechte Nachrichten anhört, ist eigentlich eher positiv zu werten“, sagt Christine Seibel, Vergütungsexpertin bei Korn Ferry. „Denn die Unternehmen hatten bei unserer letzten Untersuchung im Mai die Lage deutlich pessimistischer beurteilt. Weil es für viele doch nicht so schlimm gekommen ist, hat die Mehrheit der Unternehmen nicht in die Gehaltsstrukturen eingegriffen.“
Hatten im Mai 2020 noch die Hälfte der befragten Unternehmen angegeben, dass sich die Krise signifikant (mindestens 16 bis 30 Prozent Umsatzrückgang) oder schlimmer auswirken würde, sind dies im November nur noch 35 Prozent.
Christine Seibel sagt: „Wahr ist aber auch: Obwohl es besser gekommen ist als erwartet, kann nichts darüber hinwegtäuschen, dass wir uns weltweit in einer schweren Wirtschaftskrise befinden. Unsere Zahlen stützten die These, dass es eine K-förmige Erholung gibt. Das heißt einige Branchen erholen sich, anderen dagegen droht weiterhin wirtschaftliche Schwäche.“
Und so haben zum Beispiel 58 Prozent der Unternehmen aus der Reise- und Unterhaltungsbranche angegeben, dass sie von Umsatzverlusten von mehr als 51 Prozent ausgehen. 57 Prozent der Händler, die keine essentiellen Produkte für den täglichen Bedarf anbieten, sehen einen mindestens signifikanten oder sogar stärkeren Einfluss auf ihr Geschäft. Auch die Fahrzeug- und Transportindustrie meldet hohe Einbußen. 54 Prozent sehen den negativen Einfluss als mindestens signifikant an, fast ein Fünftel (18 Prozent) erwartet Umsatzeinbußen von mehr als der Hälfte im Vergleich zum Vorjahr.
Ein Fünftel der Unternehmen geht von einem Totalverlust des Bonus für dieses Jahr aus
Globalbetrachtet haben 19 Prozent der Unternehmen die Gehälter ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gekürzt. Führungskräfte der obersten Ebene, mussten in dem Fall im Median 20 Prozent Kürzung hinnehmen, das mittlere Management und die gehobenen Expertenebenen 10 Prozent. 60 Prozent der befragten Unternehmen planen nach jetzigem Stand, die Gehaltskürzungen im neuen Jahr wieder aufzuheben. Acht Prozent wollen sie teils aufzuheben. Aber nur 13 Prozent planen, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das entgangene Gehalt teils oder vollständig zurückzuzahlen.
„Wenn wir von Gehaltskürzungen sprechen, dann meinen wir eine befristete oder unbefristete faktische Kürzung des Grundgehalts“, sagt Christine Seibel. „Boni sind hier zunächst nicht berücksichtigt. Zwar haben auch hier einige Unternehmen bereits angegeben, dass sie ihre Boni kürzen wollen. Aber dabei handelt es sich um eine andere Maßnahme. Wenn die Geschäftszahlen schlecht sind, werden alle daran orientierten Boni ohnehin nicht so ausfallen können, wie in den Vorjahren. Und da viele Unternehmen Boni erst im Folgejahr berechnen und auszahlen, sehen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer diese auch erst in ihrem Einkommen im Jahr 2021. Die in diesem Jahr ausbezahlten Boni waren vielfach noch auf das Jahr 2019 bezogen und haben damit das Gesamteinkommen 2020 für viele stabilisiert.“
Auch bei den Boni ergibt sich ein differenziertes Bild. Während 18 Prozent der Unternehmen denken, dass die Boni bei null liegen werden, gehen 27 Prozent der Unternehmen davon aus, dass sie zumindest 50 bis 90 Prozent der Zielboni auszahlen werden können. 23 Prozent sind noch optimistischer.
Deutsche Kurzarbeit: Einkommenseinbußen können nicht mit Gehaltverzicht gleichgesetzt werden
„Nicht erfasst in den Gehaltskürzungen ist entgangenes Gehalt aufgrund von Kurzarbeit“, sagt Christine Seibel. „Das ist ein anderes, sehr deutsches Thema. Aufgrund dieser Maßnahme und dem deutschen Arbeitsrecht mussten und konnten deutsche Unternehmen auch nicht genauso vorgehen, wie in anderen Gebieten der Welt. Wer in Deutschland auf Gehalt verzichtet, macht dies grundsätzlich freiwillig. Ein Arbeitgeber kann seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgrund des Arbeits- und gegebenenfalls auch vorhandenen Tarifvertrags nicht dazu zwingen.“ Eine Stichprobe von 58 deutschen Unternehmen hat allerdings ergeben, dass auch hier 18 Prozent der Unternehmen Gehaltskürzungen umgesetzt haben. Wenn auch deutlich moderater als die internationalen Unternehmen: Führungskräfte mussten im Median auf 10 Prozent des Gehalts verzichten, ebenso wie das mittlere Management. Herausgehobene Experten haben sich im Median zu einer Reduktion von fünf Prozent bereit erklärt.
Christine Seibel sagt: „Wenn man in Deutschland im Jahr 2020 allerdings nicht Gehaltskürzungen sondern Einkommenseinbußen messen würde, könnte aufgrund von Kurzarbeit, entgangenem Geschäft, verzögerten Auszahlungen und vieler weiterer Faktoren zum Jahresende schon herauskommen, dass viele Deutsche deutlich an Einkommen verloren haben. Dazu werden wir alle erst klare Indizien bekommen, wenn das Jahr vorbei ist.“
Unternehmen in Deutschland planen Gehälter 2021 im Median um 2,5 Prozent nominal zu erhöhen
Trotz des Krisenjahres planen deutsche Unternehmen für 2021 Gehaltserhöhungen. Korn Ferry hat dazu 600 Firmen in Deutschland befragt. Insgesamt haben diese angegeben, dass sie im Median das Grundgehalt nominal um 2,5 Prozent anheben werden. Dabei haben 95 Prozent der Unternehmen gesagt, dass es Gehaltserhöhungen für einfache Angestellte und Junior-Experten geben wird. Immerhin eins von zehn Unternehmen will auf Erhöhungen bei den Top-Führungskräften verzichten.
„Der Median in diesem Jahr zeichnet sich ebenfalls eher durch eine K-Kurve aus“, sagt Christine Seibel. „Die Unternehmen, die wirklich in Schwierigkeiten stecken, wollen kaum bis gar nicht erhöhen. Während die Unternehmen, denen es trotz der Krise recht gut geht, auch ordentliche Erhöhungen planen. Insgesamt liegen die Steigerungen aber im Vergleichs-Median der letzten Jahre. Gerade die deutschen Unternehmen setzen trotz Krise auf eine konstante Gehaltspolitik. Dem Virus ist es nicht gelungen, hier signifikante Änderungen herbeizuführen, die zum Beispiel die ‚Marktpreise‘ einiger Positionen deutlich verändern. Trotzdem dürfen wir nicht vergessen, dass es sich hier um eine Projektion handelt: Was am Ende wirklich passieren wird, erfahren wir erst Mitte des kommenden Jahres.“