Ein Unternehmen in Thüringen – abseits allen Großstadtflairs, landschaftlich reizvoll gelegen. Gesucht werden u.a. Küchenmonteure für standortübergreifende Einsätze sowie für den angegliederten Industrieservice Produktionsmitarbeiter, Mitarbeiter für Lager und Logistik, Empfang etc. Weil die Mitarbeiter im Recruiting ihre Kompetenz im Führen von (Telefon-) Interviews professionalisieren wollten, haben Sie ein Inhouse-Seminar bei uns gebucht. So weit, so gut. Aber darüber möchte ich heute gar nicht berichten.
Vielmehr will ich berichten, was ich bei diesem mittelständischen Arbeitgeber so ganz nebenbei in Sachen Candidate Experience Management gesehen habe. Und das Interessante daran war: es wurde einfach so gemacht – ganz ohne Wissen über und Gedanken zu ebendiesem Candidate Experience Management. Ein schönes Beispiel dafür, dass gesunder Menschenverstand und Empathie so manchem Trend das Wasser reichen kann.
Die Bewerberbrille aufgesetzt – das fällt auf
Guter erster Eindruck
- Ich bin am späten Vormittag beim Unternehmen angekommen. Voller Parkplatz vor dem Haus, aber welch ein Vorteil: direkt neben dem Eingang, da wo bei vielen anderen Unternehmen die Chef-Parkplätze sind, freie Besucherparkplätze. Kein langes Suchen, keine weiten Wege. Prima.
- Als ich vor dem Eingang stand, wurde deutlich: in dem Gebäude gibt es mehr als ein Unternehmen. Aber auch das war kein Problem, dank einer 1A-Ausschilderung war klar, wohin ich musste.
Erlebbares Willkommen heißen
- Kaum war ich zur Tür des Unternehmen durch, strahlte mich eine sehr freundliche Empfangsmitarbeiterin an, unterbrach sofort ihre Arbeit und begrüßte mich. Sie konnte sofort mit meinem Namen etwas anfangen und ging mit mir zu einer Tafel, auf der die Gäste des Tages willkommen geheißen wurden und ersichtlich war, in welchem Raum ihre Gespräche etc. stattfinden werden. Wie wichtig der Empfang als erster Live-Eindruck ist, darüber mehr hier Welch ein Empfang! – Erste Live-Eindrücke von Bewerbern positiv gestalten.
- Bei Betreten des Raums wurde schnell klar: Gastfreundschaft wird groß geschrieben. Mir wurden nicht nur Getränke angeboten, sondern ich wurde auch initiativ darüber informiert, wo sich (für den Fall der Fälle) die Sanitärräume befinden. Und die Getränkeauswahl konnte sich auch sehen lassen: Warm- oder Kaltgetränke verschiedener Sorten, kleine Schokoladentäfelchen, Keks zum Kaffee – alles da. Wow.
Job-Orientierung zum Greifen nahe
Ich hatte noch eine kleine Wartezeit bis zum Beginn des Seminars und sah mich nach Aufbau meiner Moderationstechnik im Raum um. Da lagen Musterstücke aus dem industriellen Bereich, ordentlich beschriftet. Interessant, dachte ich. Als die Teilnehmer dann kamen und wir uns begrüßt hatten, wurde ich wieder aktiv darüber informiert, was es damit auf sich hatte. Es waren nämlich Anschauungsstücke für Bewerber, die einer der Auftraggeber des oben erwähnten Industrieservices zur Verfügung gestellt hatte. Die Bewerber sollen sich vorstellen können, womit sie arbeiten, wie groß und schwer einzelne Werkstücke sind.
Auch “Backstage” keine böse Überraschung
Man kennt das gerne von Restaurants oder Eventlocations. Vordergründig alles klasse, durchgestylt, aber wehe man sucht den Sanitärbereich auf. Da kann man wahre Wunder erleben, die den guten Eindruck von vor der Toilettentür schnell zunichte machen können. Also war ich gespannt: In der Pause suchte ich die Sanitärräume auf – pikobello sauber, ein spezielles WC für Gäste, Seife, Handtücher Desinfektionsmittel, alles ausreichend da. Als ich am nächsten Morgen in der Früh wieder die Toiletten aufsuchte, staunte ich nicht schlecht: das Toilettenpapier war sogar “hotelkonform” gefaltet (Sie wissen schon: die übliche Faltung des ersten Blatts als Dreieck).
Zum Abschluss überraschend anders
Im Rahmen des Seminars erfuhr ich, dass bei Absagen nicht nur eine wertschätzende Absage versendet, sondern als “Trostpflaster” noch eine kleine Schokolade mitgeschickt wird. Und Interview-Kandidaten (sie kommen nicht nur aus der Region, sondern teilweise aus ganz Deutschland) erhalten bei der Verabschiedung einen Thermo-Kaffeebecher, auf Wunsch mit frischem Kaffee für die Rückreise gefüllt. (Schönes weiteres Beispiel für den Blog Überraschung zum Schluss – Vorstellungstermine geschickt abrunden – dachte ich mir nebenbei.) Den Kaffeebecher habe ich auch dankend angenommen und mich nach zwei interessanten Tagen auf den Rückweg gemacht. Und als ich das Treppenhaus betrat, rief mir eine Reinigungskraft sehr freundlich und zugewandt entgegen: “Guten Abend, Vorsicht, nicht ausrutschen, muss man ja zum Abschied nicht haben.”
Einen positiven Eindruck hinterlassen kann ziemlich einfach sein
Eine runde Sache – und so fuhr ich mit einem guten Eindruck und einem Thermo-Kaffeebecher nach Hause und dachte nur: wenn jetzt noch durch das Seminar die Interviewerkompetenz weiter gesteigert wurde, muss dieses Unternehmen keine Sorgen haben, Bewerber durch seinen Arbeitgeberauftritt zu verlieren. Da erleben Bewerber oft ganz andere Dinge.
* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.