Recruiting Impuls | Der Elevator Pitch zur persönlichen Vorstellung auf Arbeitgeberseite ist das krasse Gegenteil dessen, was Kandidaten in Interviews oft erleben und was im Rahmen von Videointerviews am heimischen Bildschirm noch mehr auffällt: ein weites Ausholen und Erzählen zu Person und Werdegang. Wegen fehlender Vorbereitung besteht die Vorstellung dann oft auch noch aus unsortiert aneinandergereihten, z.T. schwer nachvollziehbaren Sätzen. Die Folge: die Kandidaten als Gegenüber ermüden schnell, hören nicht mehr wirklich zu und schalten schon früh innerlich ab. Keine gute Grundlage, um als Arbeitgeber von Anfang an eine positive Candidate Experience zu gestalten.
Natürlich passiert das auch in Live-Gesprächen. Live sind die Rahmenbedingungen aber anders. Hier schauen Kandidaten nicht einfach nur in gewohnter Umgebung auf einen Bildschirm. Bei Live-Interviews nehmen sie das Drumherum viel mehr wahr. Sie haben i.d.R. schon einen kleinen Small Talk auf dem Weg vom Empfang zum Besprechungsraum hinter sich, nehmen Atmosphäre, Räumlichkeiten und Personen viel mehr “nebenbei” wahr. Das entfällt beim Videointerview. Hier sind sie viel schneller in medias res und fokussiert auf ihr Gegenüber. Wie die Technik des Elevator Pitches einen besonderen Akzent in der Vorstellungsrunde bei Videointerviews setzen kann, erfahren Sie hier.
Elevator Pitch – sich in 30 bis 60 Sekunden gekonnt vorstellen und begeistern
Hinter dem Elevator Pitch steht die Idee, dass man jemanden während einer Fahrt im Aufzug von einer Idee oder sich als Person überzeugt und damit Lust auf Details und die Fortsetzung des Gesprächs macht. Es gilt das Anliegen prägnant und interessant auf den Punkt zu bringen, durch Argumente und durch die Art und Weise, wie man das tut, zu überzeugen. Der Elevator Pitch ist die eigene verbale Visitenkarte. Mit folgenden vier Schritten kommen Sie dem Ziel nahe:
1. Aufmerksamkeit erregen
Im Einstieg geht es natürlich erstmal darum, wer und was man ist. Aber Stopp: kein langatmiges Erzählen, was man schon alles gemacht und wo man schon überall gearbeitet hat. Stattdessen anders als erwartet z.B. mit einem Detail zur Person starten und so ein Aha erzeugen, Neugier wecken und damit über das Gespräch hinaus in Erinnerung bleiben.
Dazu eignen sich interessante Fakten, ein kontroverses Statement oder auch eine rhetorische Frage. Nach: “Ich bin …/ Mein Name ist …. Ich nehme heute als Ihr potenzieller Vorgesetzter am Interview teil./ Ich bin heute als Ihre künftige Führungskraft/ als Personaler/ als möglicher Kollege dabei…”
- … kann man z.B. als Fakt erwähnen, dass man z.B. als Boomerang vor x Jahren zurückgekehrt ist oder den Spitzname xy hat, weil … etc.
- … wäre ein mögliches kontroverses Statement z.B. “Wenn Sie meinen, da sitzt Ihnen ein konservativer Chef im Anzug gegenüber, dann sollten Sie wissen, dass ich in meiner Freizeit in einer Heavy Metal Band spiele.”
- … könnte ein Beispiel für das Stilmittel der rhetorischen Frage sein: “Wissen Sie eigentlich, dass hier jeder x.te einen Hund hat? – Ich auch: meiner heißt übrigens Bello und ab und zu darf er auch mit ins Büro.”
2. Interesse wecken
Nach der eigenen Person steht der Bereich im Fokus. Nach einem kurzem Statement, wofür der Bereich im Unternehmen verantwortlich ist, sollte man auch hier einen starken Akzent setzen: Was macht den eigenen Job, den Bereich, den man vertritt oder das Unternehmen als Arbeitgeber aus eigener Sicht so besonders, dass man gerne hier arbeitet? Das muss keine Lobhudelei sein und kann durchaus auch etwas “Unvollkommenes” sein, was sympathisch macht.
Dies gelingt besonders gut, wenn man den Nerv des Gegenübers trifft. Anschreiben, Hinweise auf Wechselmotive, Aussagen in vorab geführten Telefoninterviews – hier überall findet man Hinweise, die man aufgreifen kann. Beispiele können abwechslungsreiche Jobs sein. Auch Weiterbildungsmöglichkeiten kann man ins Spiel bringen. Beim Wunsch nach einem gut funktionierendem Team treffen z.B. gemeinsame Aktivitäten ggf. auch außerhalb des Jobs den Nerv.
3. Interesse zeigen
Dann geht es darum, auf den Bewerber überzuleiten. Dabei kann man verdeutlichen, warum man sich auf das Vorstellungsgespräch und das Kennenlernen seines Gegenübers freut. Dazu sollte man sich vorab mit der Person beschäftigten. So kann eine Idee davon entstehen, was besonders interessant am Gesprächspartner ist. Das ist eine gute Grundlage, um besonders gut eine Verbindung herzustellen und bei Kandidaten zu punkten.
Beispiel: “Für mich sind Jobinterviews ein beidseitiges Kennenlernen. Ich finde sie spannend, weil ich so interessante Leute kennenlerne, … die wie Sie noch mit frischen Blick auf die Dinge sehen” (z.B. bei Absolventen) oder “… von denen ich wie bei Ihnen noch etwas lernen kann, weil sie jede Menge Erfahrung im Bereich … mitbringen” (bei Berufserfahreneren).
4. Zur Handlung auffordern
Es gilt jetzt, die Kandidaten zu motivieren und zu aktivieren, im folgenden Gespräch auch von sich zu überzeugen. Dazu kann man wohlwollend deutlich machen, worauf man sich im Gesprächsverlauf freut. Auch hierzu ein Beispiel:
“Als ich mich auf das Gespräch vorbereitet habe, / Als ich heute Morgen an dieses Gespräch dachte, freute ich mich darauf, mehr darüber zu erfahren …./ein besseres Bild von der Person hinter den Unterlagen zu bekommen. Und ich fragte mich auch, was Sie wohl für Fragen an mich haben. Also: stellen Sie im Gespräch gerne Fragen – auch zwischendurch und auch unbequeme/ stellen Sie Ihre Fragen gerne am Gesprächende – wir haben genug Zeit dafür.”
Content ist das eine – wie er vermittelt wird, das andere
Wer mit seinem Elevator Pitch überzeugen möchte, muss auch entsprechend auftreten und ihn gut verkaufen. Kurze und verständliche Aussagen sind dabei das A & O. Keine langen Sätze, möglichst wenig Nebensätze und Einschübe. Das lässt sich auch bei Aufregung vom Gegenüber gut aufnehmen und vor allem merken. Gerade wenn man gut vorbereitet ist oder versucht, einen vorbereiteten Elevator Pitch zu formulieren, ist das Risiko hoch, dass das Ganze wie auswendig gelernt wirkt. Vergessen Sie nicht ihren persönlichen Stil und zeigen Sie auch Begeisterung für das, was Sie tun – sowohl im Tagesgeschäft als auch als Interviewpartner in diesem Gespräch. Das unterstreicht die Aussagekraft und Glaubwürdigkeit des Gesagten. Behalten Sie Ihr Gegenüber im Blick und nehmen Sie Reaktionen wahr – ein Nicken, Lächeln oder auch Fragezeichen in den Augen. Und gehen Sie ggf. kurz darauf ein.
Elevator Pitch: Wirklich notwendig oder doch ein bisschen zu viel des Guten?
Wer nun sagt, dass das alles etwas zu viel des Guten ist und die eigene Vorstellung ja nicht das Zentrale eines Jobinterviews, der sollte sich Folgendes bewusst machen.
Die eigene Vorstellung prägt ganz entscheidend den ersten Eindruck von Kandidaten über das Unternehmen und die Personen, mit denen sie ggf. später arbeiten werden. Deshalb ist die persönliche Vorstellung keine Nebensache, sondern ein relevanter Baustein des Kennenlernprozesses und der Gestaltung einer positiven Candidate Experience. Immerhin haben schon 76,1 % der Bewerber ein Jobangebot ausgeschlagen, weil ihre Gesprächspartner ihnen ein Gefühl der Unterlegenheit gegeben haben. Und 67,9 % sind zurückgetreten, weil ihre Gesprächspartner zu viel über sich selbst erzählt haben und zu wenig oder kein Interesse an der Person des Kandidaten gezeigt haben (Quelle: softgarden: Candidate Experience Umfrage Teil 2, 2020).
Ein Elevator Pitch trägt dazu bei, dass Vorstellungsrunden und Selbstpräsentationen von Unternehmensvertretern kürzer gefasst werden und mehr Zeit und Raum für Dialog bleib. Er lässt den Gesprächspartner persönlicher werden und etwas von sich preisgeben. Das erzeugt Augenhöhe statt ein Gefühl der Unterlegenheit und macht einen entscheidenden Unterschied zu vielen anderen erlebten, langweiligen Vorstellungsrunden.
Ein paar weitere Anregungen, was sonst noch zu einem erfolgreichen Video-Interview beitragen kann, finden Sie auch in diesem Blogbeitrag.
* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.