Arbeitgeber haben oft das Gefühl, Kandidaten in Gesprächen nicht richtig kennenzulernen. Es sei mal dahingestellt, woran das liegt. Aus diesem Gefühl heraus entsteht aber der Wunsch, mehr über Bewerber zu erfahren und zu erleben, wie sie denn so sind. Man möchte wissen, wie sie denken, handeln, interagieren und reagieren. Arbeitsproben unterschiedlicher Form sind dann häufig das Mittel der Wahl. Grundsätzlich auch eine gute Entscheidung. Denn Arbeitsproben haben neben kognitiven Fähigkeitstests und strukturierten Interviews die beste Vorhersagekraft hinsichtlich des Berufserfolgs. Das setzt natürlich voraus, dass die Arbeitsproben entsprechend gestaltet sind. Hier eine Übersicht über häufig vorkommende Formen von Arbeitsproben und ein paar Tipps, die man beim Einsatz von Arbeitsproben beachten sollte, damit sie sich für die Personalauswahl und das Arbeitgeberimage auszahlen.
Arbeitsproben – ein weites Feld
In der Praxis lassen sich viele Spielarten von Arbeitsproben erkennen. Wir haben den Versuch einer Systematisierung unternommen – hier ein Überblick über häufig in der Praxis vorkommende Formen:
Bei dieser Form der Arbeitsprobe werden Kandidaten – oft direkt nach Bewerbungseingang – aufgefordert, mehr oder weniger umfangreiche Unterlagen oder Informationen zu analysieren und zu bewerten sowie ggf. Handlungsvorschläge zu entwickeln. Das kann z. B. die Analyse einer Internetseite oder einer Werbekampagne, eines Kennzahlenberichtes, eines Prozesses oder Konzeptes sein. Alternativ werden Rechercheaufträge – z. B. eine Markt- oder Wettbewerbsanalyse – erteilt, deren Ergebnisse in eine Präsentation münden sollen. Oder es gilt, kreative Vorschläge zu entwickeln und zu präsentieren. Die Arbeitsaufträge beziehen sich dabei je nach Unternehmen auf reale oder fiktive Gegebenheiten.
Bei (Mini-)Assessments und Bewerbertagen werden verschiedene Übungen simuliert, die i.d.R. typische Arbeitssituationen für den Job darstellen. Bei Kundenbetreuern z.B. eine Postkorbaufgabe und ein Rollenspiel zur Simulation eines Kundengesprächs, bei Vertrieblern Rollenspiele mit Verkaufs- und/oder kritischen Kundensituationen, bei Consultants z.B. eine Fallstudie und eine Präsentation etc. Meist wird diese “Testung” der Bewerber dann noch verbunden mit der Möglichkeit, weitere Unternehmenseinblicke zu gewinnen. Dazu werden Präsentationen, lockere Gesprächsrunden oder auch Unternehmensrundgänge eingesetzt. Solche (Mini-)ACs oder Bewerbertage werden klassischen Interviewrunden vor- oder nachgelagert.
Bei dieser Variante werden innerhalb eines Vorstellungstermins einzelne AC-Übungen integriert, die zentrale Aufgaben in dem jeweiligen Job simulieren. Erlebte Beispiele in der Praxis: bei Verkäufern ein Rollenspiel mit einer Verkaufssituation, bei Call Agents ein Beschwerdetelefonat, bei Assistenz-Kräften eine Korrespondenzübung oder bei Projektmanagern eine Präsentation.
Statt der Simulation von Arbeitssituationen werden bei dieser Form der Arbeitsprobe die Kandidaten mit dem “echten Arbeitsleben” konfrontiert. Sie erleben einzelne oder mehrere Tage/Wochen den Arbeitsalltag und typische Aufgabenfelder, lernen Kollegen kennen, erhalten Unternehmenseinblicke und bekommen Arbeitsaufträge übertragen. Auch wenn meist betont wird, dass es vor allem darum geht, Berufseinblicke zu geben, geht es den Unternehmen natürlich auch darum, potenzielle Talente für sich zu entdecken und ggf. anschließend für eine Karriere im eigenen Unternehmen zu gewinnen.
Chancen-Risiken-Abwägung
Wer als Arbeitgeber über eine Arbeitsprobe nachdenkt, um Kandidaten besser kennenzulernen und ein ergänzende Informationen zu denen in Vorstellungsgesprächen zu gewinnen, steht vor der Frage, welche Form von Arbeitsprobe sinnvoll eingesetzt werden sollte. Hier kann folgende Abwägung die Entscheidung unterstützen:
Arbeitsprobe | Chancen | Risiken |
---|---|---|
Muster | Gefühl für Passung von Arbeitsergebnissen zu eigenen Vorstellungen (Details, Qualität) | Unsicherheit der Zurechenbarkeit der Ergebnisse zum Kandidaten |
Vorab-Fallstudie | Eindruck von einigen relevanten Fähigkeiten wie z.B. Analysefähigkeit | Ablehnung durch Bewerber, umfangreiche Vorleistungen ohne gesicherte Gegenleistung zu erbringen; Risiko einer Bearbeitung durch/unter Beteiligung Dritter; Konstruktionsaufwand |
(Mini-)AC/ Bewerbertag | Möglichkeit, Bewerber in typischen Arbeitssituationen zu erleben; Möglichkeit, sich als Arbeitgeber zu präsentieren | Simulierte Situation kann auf Ablehnung bei Bewerbern oder Versuch erwünschten Verhaltens führen; Einblicke in Unternehmen zeigen auch Schwachstellen; Konstruktionsaufwand |
AC-Elemente im Gespräch | Möglichkeit, Kandidaten in zumindest einer typischen Arbeitssituation zu erleben | Simulierte Situation kann auf Ablehnung bei Bewerbern oder Versuch erwünschten Verhaltens führen; Konstruktionsaufwand |
Probetag/ Workshop/ Kompaktpraktikum | Chance, Kandidat über längeren Zeitraum und authentischer zu erleben; Möglichkeit differenzierter und authentischer Arbeitseinblicke; Mehrfachbewertung der Kandidaten – ggf. auch durch potenzielle Kollegen | Eingrenzung der Aufgaben auf jeweils verfügbare Zeit (Teilrealität); Kandidaten erhalten ggf. auch kritische Einblicke; Organisations- und Betreuungsaufwand |
Fünf Tipps für Arbeitgeber zum Einsatz von Arbeitsproben
1. Klare Kommunikation
Wenn Arbeitsproben in Form von Mustern mit der Bewerbung erwartet werden, sollte man das auch klar z.B. in der Stellenanzeige oder auf der Karrierewebseite formulieren. Wichtig ist dabei auch eine konkrete Aussage, welche und wieviele Arbeitsproben man wünscht.
2. Auf Signaling achten
Insbesondere bei Fallstudien und Workshops darauf achten, dass die Aufgabenstellungen nicht so gewählt sind, dass sie den Anschein erwecken als wolle man kostenfreie Vorleistungen sammeln, die dann auch gut für eigene Zwecke weiterverwendet werden können. Gleiches gilt für sehr umfangreiche Aufgabenstellungen, die ein hohes Zeitinvest erfordern ohne dass eine Gegenleistung sicher ist.
3. Realistic Jobpreview
Bei Assessment-Elementen, die im Rahmen von Vorstellungsgesprächen oder bei (Mini-)ACs und Bewerbertagen eingesetzt werden, sowie bei Workshops sollte man auf einen hohen Realitätsbezug zum Job, um den es geht, achten. Das sichert einerseits die Bereitschaft von Kandidaten, sich in die Situation hineinzubegeben und andererseits auch die Aussagekraft dessen, was man beobachten kann.
4. Vorabfestlegung Bewertungskriterien
Unabhängig von der Art der Arbeitsprobe ist es wichtig, vorab zu definieren, was man überhaupt mit der Arbeitsprobe messen möchte und wie man potenzielle Ergebnisse/Beobachtungen einordnen will. Dazu macht es Sinn, die Messkriterien zu definieren und in einem Bewertungsraster eine Abstufung möglicher Bewertungen zu beschreiben.
5. Feedback geben
Insbesondere bei Arbeitsproben, die mit einem persönlichen Kontakt verbunden sind, ist ein Feedback an die Kandidaten empfehlenswert. Wer sich als Kandidat im Rahmen eines (Mini-)AC/Bewerbertages, eines Gespräches mit AC-Elementen oder in Probearbeitstagen/Workshops/ Kompaktpraktika präsentiert, erwartet eine persönliche Rückmeldung. Bleibt diese aus, mindert das einen möglichen guten Eindruck des Bewerbers oder verstärkt den weniger positiven Eindruck – beides schadet dann dem Arbeitgeberimage.
Setzen Sie andere Formen von Arbeitsproben ein oder haben selbst andere Spielarten erlebt? Erzählen Sie davon.
* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.