Man bekommt tolle Stories erzählt, wenn man mal mit Kandidaten ins Gespräch kommt, was sie so alles im Rahmen von Vorstellungsterminen erleben – und was wirkliche No goes sind, wenn man sich nur halbwegs mit dem Thema Candidate Experience beschäftigt. Denn solche Erfahrungen prägen das Bild vom Umgang mit Bewerbern und dem Innenleben von Arbeitgebern. Wir haben das mal mit einer Gruppe angehender Hochschulabsolventen im Rahmen eines Workshops getan. Hier zunächst ein paar Beispiele für Bewerber-Erleben, das haften geblieben ist und dann ein paar Tipps, wie es besser geht.
Nichts für empfindliche Nasen
Mehrere Bewerber berichteten, dass die Luft in Räumen, in denen Vorstellungsgespräche durchgeführt wurden, geradezu abgestanden und teilweise sogar gestunken hat oder diese vollkommen überheizt oder kalt waren. Gut, dass kann mal passieren, wenn dann aber darüber hinweg gegangen wird und nicht einmal kurz das Fenster geöffnet oder die Heizung reguliert wird, kann eine Stunde Vorstellungsgespräch zur wahren Tortur werden.
Zum Weggucken
Andere Bewerber beschrieben Räume, in denen Sie interviewt wurden, als wahre Rumpelkammern. Da standen Postboxen, Leergut, Staubsauger oder ausgediente IT-Hardware herum. Auch die Räume waren mit ausgedienten Tischen und Stühlen unterschiedlicher Generationen bestückt. Andere berichteten zwar von modern eingerichteten Räumlichkeiten, bei denen aber das Sitzmobiliar problematisch war: tiefe und niedrige Sessel erschwerten es, an Getränke heran zu kommen oder Notizen zu machen ohne, dass man “komische Bewegungen” machen musste – nicht nur für Frauen mit Rock problematisch. Das gilt auch für ungewöhnliche Sitzmöbel wie Hocker, Pezzibälle oder ähnliches.
Lieber nicht anfassen
Wieder andere Kandidaten bemängelten die Sauberkeit, die sie vorfanden. Da war von speckigen Tischen mit vielen Fingerabdrücken ebenso die Rede wie von verkrümelten und “behaarten” Stühlen oder fehlender Seife und Handtüchern auf der Toilette. Auch berichten Kandidaten über benutztes Geschirr, das sogar zwischen frischen Geschirr stand. Bei so manchem Glas war nicht ganz klar, ob es frisch oder gebraucht war.
Wenig schmackhaft
Und auch mit der Bewirtung tun sich einige Arbeitgeber keinen Gefallen: ausflockende Kondensmilch, abgelaufener Saft, kalter oder schaler Kaffee, fehlende Flaschenöffner oder überalterte Kekse – alles wurde erlebt.
Für alle Ohren
Dass auch das räumliche Umfeld für das persönliche Kennenlernen eine Rolle spielt, scheinen Unternehmen zu ignorieren, die ihre Kandidaten in Räumen neben dem Raucherraum oder der Kantine interviewten – Geräuschepegel und Gerüche inklusive. Oder noch besser: es gibt auch Arbeitgeber, die gleich in den gemütlichen Sitzmöbeln im offenen Foyer oder im Cafe gegenüber Vorstellungsgespräche führen.
Funktionsstörung
Und auch wenn Technik zum Einsatz kommt, z.B. beim Assessment Center, führen Funktionsstörungen nicht nur zu Irritationen bei den Bewerbern, sondern bringen Zeitpläne vollkommen durcheinander bis hin zu einem Fall, in dem dann aus Zeitnot kurzer Hand auf die eigentlich eingeplante Mittagspause verzichtet wurde.
Wenn auch um Nummern kleiner: auch nicht funktionierende Stifte, die genutzt werden sollen, fehlendes Papier am Flipchart, Rollos, die nicht funktionieren und für entsprechende Abschattung sorgen, lockere Tischbeine oder kaputte Stühle etc. hinterlassen keinen guten Eindruck.
Für ein besseres Bewerber-Erleben
Jetzt kann man natürlich sagen, dass zu perfekt ja auch nicht gut wäre und Bewerber doch auch einen authentischen Eindruck haben möchten. Richtig: es muss nicht alles perfekt sein und es soll auch authentisch zugehen. Aber was man mit allen Sinnen als Bewerber wahrnimmt, überträgt man eben auch auf das später zu erwartende Arbeitsumfeld. Und da möchten sich die meisten wohl fühlen und wertgeschätzt fühlen. Die beschriebenen Situationen signalisieren dies nicht.
Daher empfehlen wir:
1. Sorgen Sie dafür, dass Vorstellungsgespräche an einem angemessenen Ort stattfinden. Diese sollten
- störungsfrei sein und vertrauliche Gespräche ermöglichen
- gelüftet sein und eine erträgliche Raumtemperatur haben
- aufgeräumt und sauber sein
- ein “normales” Sitzen ermöglichen
- …
2. Stellen Sie eine gute Bewirtung sicher. Dazu gehört:
- Sauberes Geschirr und frische Getränke
- Notwendiges Equipment nicht vergessen (z.B. Flaschenöffner) und auf Verfallsdaten achten
- …
3. Wenn Sie Technik und Arbeitsmittel einsetzen, sollte diese auch funktionieren.
- Testen Sie vor einem Termin die Funktionstüchtigkeit von Geräten und Raumtechnik.
- Stellen Sie sicher, dass notwendige Gastzugänge eingerichtet sind und Sie die Zugangsdaten parat haben.
- Sorgen Sie dafür, dass jemand, der sich mit der Technik auskennt, zum Termin abrufbereit ist.
- …
4. Achten Sie auch auf Nebenräume, die die Kandidaten ggf. aufsuchen – insbesondere Toiletten.
- Sollte dies nicht ohnehin geschehen, stellen Sie sicher, dass das Reinigungspersonal einen Extrablick auf Seife und (Papier-) Handtücher wirft.
Alles Selbstverständlichkeiten für Sie? Bestens – dann haben Bewerber ja diesbezüglich einen guten Eindruck von Ihnen. Wenn Sie sich aber an der einen oder anderen Stelle “ertappt fühlen”, dann können Sie z. B. mit einer Checkliste auf Basis dieser Tipps einen Beitrag für ein positiveres Bewerber-Erleben leisten.
Bildquelle: © upo
* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.