Anti-Pfusch-Maßnahmen bei Online-Eignungstests

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Ob für die Auswahl von Azubis, dualen Studierenden oder Hochschulabsolventen – der Einsatz von Online-Eignungstests und Testverfahren ist häufig etablierter Bestandteil der Personalauswahl. Auch für Professionals werden Tests eingesetzt z.B. zur Prüfung von Englischkenntnissen, zum Check der Service- und Vertriebsorientierung oder der Führungspersönlichkeit. Aus Kosten- und Effizienzgründen wird dabei immer auch der Einsatz von (“unbeaufsichtigten”) Online-Testverfahren diskutiert. 

Verbreitung Azubi-Testverfahren

 

Bei der Azubi-Auswahl greifen bereits 15% der Firmen, bei der Auswahl von Absolventen 14% darauf zurück.

Tests bei Absolventen

Aber vielerorts besteht auch noch Skepsis gegenüber Online-Testverfahren: man fürchtet, dass die unbeobachtete Situation der Testbearbeitung dazu verführt, das Testergebnis zu manipulieren (z.B. durch Einbeziehen dritter Personen und Recherche nach Lösungen im Internet). Im Zeitalter des Social Networkings wächst auch die Angst, dass sich die Aufgaben verbreiten und so anderen Bewerbern die Möglichkeit bieten, sich gezielt vorzubereiten.Unser Tipp: Beim Einkauf von Online-Testsystemen oder bei eigenen Umsetzungen darauf achten, dass in den Test Schutz-Vorkehrungen unterschiedlichster Art implementiert sind – das schränkt die  Täuschungswahrscheinlichkeit erheblich ein. Die Schutzvorkehrungen lassen sich in diese Rubriken unterteilen:

Testzugang

  1. Testzugang nur über Einladung und individuellen Zugangscode
  2. Berechtigung nur zur einmaligen Testdurchführung unter Nutzung des Zugangscodes

Testpsychologie

  1. Einholen einer Bestätigung von Testteilnehmern vor Beginn der Testdurchführung, dass sie den Testanweisungen Folge leisten und z.B. auf unerlaubte Hilfsmittel oder Hilfe Dritte verzichten (“psychologischer Vertrag”)
  2. Hinweis zu Testbeginn, dass die Ergebnisse im späteren Auswahlverfahren z.B. durch Testwiederholung einer Konsistenzprüfung unterzogen werden können

Testkonstruktion

  1. Wechselnde Reihenfolge von Aufgaben/Items und/oder Antwortalternativen – es gibt nur eine Version des Onlinetests, aber die Aufgaben/Antwortalternativen werden bei jedem Teilnehmer in neuer Reihenfolge angezeigt.
  2. Generieren von variablen Items – die Aufgabenkonstruktion ist je Teilnehmer identisch, aber die Items werden inhaltlich variiert
  3. Einsatz von Paralleltest – es gibt mehrere Varianten des Onlinetests, die unterschiedliche Aufgaben erhalten, die aber von der Schwierigkeit her vergleichbar sind.
  4. Regelmäßige Aktualisierung der hinterlegten Testfragen

Technische Testorganisation

  1. Zeitlimit zur Bearbeitung einzelner Testteile oder des Gesamttests – zwischendurch im Internet zu recherchieren, Freunde anrufen oder sich mit dem große Bruder beraten kostet Zeit, die am Ende fehlt und damit auch zu einem nicht optimalen Testergebnis führt
  2. Unterbinden von Rücksprung-Möglichkeiten – der Testteilnehmer kann eine einmal beantwortete Aufgabe nicht wieder aufrufen und seine Lösung ändern, weil z.B. in der Zwischenzeit ein Dritter die Lösung recherchiert oder berechnet hat
  3. Technischer Lösungen zur Vermeidung von Ausdrucken, Anzeigen der Quelldateien, Abspeichern des HTML-Codes etc.

Nummer sicher – die Nachtest-Möglichkeit

Um auf “Nummer sicher” zu gehen, kann man natürlich auch noch Nachtests durchführen. D.h. zu einem späteren Zeitpunkt im Auswahlverfahren lässt man Kandidaten den gleichen Test oder eine verkürzte Testversion nochmals in einer beobachtbaren Situation bearbeiten und vergleicht die Testergebnisse. Da dies ein recht hoher Aufwand mit sich bringt und auch gegenüber Bewerbern außerdem ein gewisses Misstrauen signalisiert, verzichten viele Unternehmen darauf oder machen dies nur in Ausnahmefällen.

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In Fällen, in denen Nachtests durchgeführt wurden, konnten keine signifikanten Abweichung zwischen ursprünglichen Online-Testergebnissen und Nachtest-Ergebnissen beobachtet werden (1% – Angabe von Cyquest). Auch wir haben haben in einem konkreten Anwendungsfall die Testergebnisse des upo- Azubi-Einstellungstest mit einer verkürzten Testversion überprüft und ebenfalls keine evidenten Hinweise auf Manipulation gefunden.

Und selbst wenn deutlich abweichende Testergebnisse beobachtbar sind, kann dies nur ein Hinweis auf eine mögliche Manipulation sein; ein Beweis dafür ist es nicht. Denn Abweichungen können auch andere Erklärungen haben, wie z.B.

  • Bei der Nachtestung vor Ort ist der Bewerber möglicherweise deutlich nervöser als in der vertrauten Umgebung zuhause. Dadurch können die Antworten voneinander abweichen.
  • Der/die Bewerber/in hat sich in dem Zeitraum zwischen erster und zweiter Testung auf diese speziellen Aufgabentypen vorbereitet hat, so dass er/sie beim Nachtest wesentlich besser abschneidet.
  • Der/die Bewerber/in könnte die Antworten im Online-Test geraten haben und nun andere Antworten gegeben haben, da er/sie sich an die vorigen Antworten nicht mehr erinnert.

Fazit

Das Risiko, dass Testergebnisse möglicherweise durch Testmanipulationen verfälscht werden, lässt sich nie ganz ausschalten, aber mit den aufgezeigten Vorkehrungen erheblich reduzieren. Dieses kalkulierbare Risiko wird durch Vorteile wie die Beschleunigung der Personalauswahl (Durchführung und Auswertung), die Reduktion des Organisationsaufwandes und last but not least durch das Signaling “Modernes und technologisch aufgeschlossenes Unternehmen” wettgemacht.

 

Weitere Literaturhinweise:

  • Hussy, W.; Schreier, M. & Echterhoff, G. (2010). Forschungsmethoden in Psychologie und Sozialwissenschaften (1. Auflage). Springer Verlag: Berlin Heidelberg.
  • Moosbrugger, H., & Kelava, A. (2008). Testtheorie und Fragebogenkonstruktion. (1. Auflage). Springer Verlag: Berlin.

Bildnachweis: Studenten arbeiten an Laptops © Robert Kneschke – Fotolia.com

* Auch wenn wir zu Gunsten der Lesbarkeit auf die gleichzeitige Nutzung aller Genderformen verzichten, meinen wir immer alle Geschlechter.

Ruth Böck
Ruth Böck
Hallo, ich bin einer der Köpfe von upo - Bausteine für Rekrutierungserfolg. Als #RecruitingStarkMacher unterstützen wir Recruiter, mit einem echt starken Recruiting einen erlebbaren Unterschied zu machen. Und so mehr Rekrutierungserfolg zu erzielen. Außerdem bin ich Initiatorin und Mitmacherin dieses Fachportals Rekrutierungserfolg.de. Wenn dir meine Beiträge gefallen, dann trage dich hier gerne für unser upo Magazin mit Tipps & Hinweisen für #RecruitingStarkMacher ein.